Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
graste friedlich in der Nähe. Am hinteren Teil des Wagens führte eine Trittleiter mit sechs Stufen zu einer Tür, die reich mit gemalten Ornamenten verziert war, die zu der Schnitzerei passten. Es war eine von diesen geteilten Türen, wie sie für Ställe benutzt werden, die obere Hälfte stand offen, die untere war verriegelt.
Während sie, noch atemlos und staunend, hinter den Büschen hockten, erschien eine Gestalt in der Tür, öffnete die untere Hälfte und kam die Stufen herunter. Barney fasste Simons Arm fester. Das lange, wilde dunkle Haar, die finstere Stirn waren nicht zu verkennen; der Maler war sogar ganz so angezogen, wie sie ihn zuvor gesehen hatten. Er trug einen marineblauen Sweater wie ein Fischer und eine blaue Hose. Simon schluckte nervös. Es war bedrohlich, den Mann so nah zu sehen; etwas Böses schien ihn wie eine Wolke zu umgeben. Barney war froh, dass sie so tief in den Büschen steckten, wo er sie unmöglich sehen konnte. Er stand ganz still und wünschte inständig, Rufus möge keinen Laut von sich geben.
Aber obwohl außer dem Morgenlied der Vögel in den Bäumen auf der Lichtung nicht das geringste Geräusch zu hören war, blieb der dunkle Mann plötzlich am Fuß der Leiter stehen. Er hob den Kopf und wandte ihn nach allen Seiten wie ein sicherndes Wild. Barney sah, dass er die Augen geschlossen hatte. Dann wandte sich der Mann genau in ihre Richtung, seine kalten Augen öffneten sich unter den gerunzelten Brauen, und er sagte deutlich: »Barnabas Drew, Simon Drew. Kommt heraus!«
Es kam ihnen gar nicht in den Sinn, davonzulaufen, sie mussten einfach gehorchen. Barney trat wie im Traum aus den Büschen heraus und fühlte, wie Simon in der gleichen widerstandslosen Weise hinter ihm herkam. Sogar Rufus trottete gehorsam neben ihnen her.
Sie standen jetzt nebeneinander auf der sonnenbeschienenen Wiese neben dem Wohnwagen vor dem dunklen Mann in seinen dunklen Kleidern, und obwohl sie von der Sonne beschienen wurden, war ihnen kalt. Der Mann sah sie an, ausdruckslos und ohne zu lächeln. »Was wollt ihr?«, sagte er.
So wie ein Funke aufspringt, Zunder findet und zu einer Flamme wird, flackerte plötzlich ein Funke des Widerstandes in Barneys Bewusstsein auf und wurde zu einer Flamme des Zorns, die die Angst vertrieb. Er sagte wütend: »Nun, zunächst einmal möchte ich meine Zeichnung wiederhaben.«
Er sah aus den Augenwinkeln, wie Simon neben ihm den Kopf ein wenig schüttelte, so wie jemand, der den Schlaf abschüttelt, und er wusste, dass auch Simon den Bann gebrochen hatte. Er sagte noch lauter: »Sie haben meine Zeichnung gestohlen, unten im Hafen, und der Himmel weiß, warum. Und mir hat sie gefallen und ich will sie wiederhaben.«
Die dunklen Augen betrachteten ihn kühl; es war unmöglich, eine Regung darin zu erkennen. »Ein recht vielversprechendes Gekritzel für dein Alter.«
»Nun, Sie brauchen es ja gewiss nicht«, sagte Barney. Einen Augenblick lang dachte er voller Bewunderung an die wirkliche Kraft in der Malerei des Mannes.
»Nein«, sagte der Mann mit einem leichten, merkwürdigen Grinsen. »Jetzt nicht mehr.« Er ging wieder die Stufen hinauf und trat durch die Doppeltür. »Also gut. Dann komm.«
Rufus, der bis jetzt stocksteif dagestanden hatte, knurrte leise, ganz tief in der Kehle. Simon legte ihm die Hand auf den Kopf, um ihn zu beruhigen, und sagte: »Das wäre nicht vernünftig, Barney.«
Aber Barney sagte nur leichthin: »Oh, doch, ich denke, es ist in Ordnung.« Und er trat auf die Leiter zu. Simon blieb nichts übrig, als ihm zu folgen. »Bleib hier, Rufus«, sagte er. Der Setter ging in die Knie und legte sich am Fuß der Leiter hin. Aber das lang gezogene, tiefe Knurren hörte nicht auf, sie hörten es leise im Hintergrund wie eine Warnung.
Der dunkle Mann hatte ihnen den Rücken zugekehrt. »Seht euch diesen Zigeunerwagen gut an«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Solche gibt es nicht mehr oft zu sehen.«
»Ein Zigeunerwagen?«, sagte Simon. »Sind Sie ein Zigeuner?«
»Halb ein Zigeuner«, sagte der Mann, »und halb ein Nichtzigeuner.« Er drehte sich jetzt um und betrachtete sie mit untergeschlagenen Armen. »Ja, ich bin zum Teil Zigeuner. Das ist das Beste, was man heutzutage noch findet. Jedenfalls auf der Straße. Sogar der Wagen ist nur zum Teil echt.«
Er wies mit dem Kopf zur Decke des Wagens, und als sie aufschauten, sahen sie, dass sie mit den gleichen bunten Ornamenten bemalt war wie das Äußere des Wagens. Eine Wand war ganz mit
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