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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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seltsame Umkehrung der Wirklichkeit zum Bewusstsein, die sie in ihren Bann geschlagen hatte. Er und Bran standen nicht in einer zeitlosen dunklen Nacht, die Sterne am Himmel betrachtend. Es war umgekehrt. Sie selbst wurden beobachtet. Jeder einzelne funkelnde Punkt in der großen unergründlichen Halbkugel von Sternen und Sonnen war auf sie gerichtet, nachdenklich, erwägend, einschätzend. Denn indem sie sich auf die Suche nach der goldenen Harfe begeben hatten, forderten er und Bran die grenzenlose Macht der Hohen Magie des Universums heraus. Ungeschützt mussten sie vor sie hintreten auf ihrem Weg, und sie würden nur die Erlaubnis bekommen weiterzuziehen, wenn sie durch ihre Geburt das Recht dazu hatten. Unter diesem erbarmungslosen Sternenlicht der Unendlichkeit würde jeder widerrechtliche Herausforderer so mühelos ins Nichts gewischt werden, wie ein Mann eine Ameise von seinem Ärmel wischen mochte.
    Will stand wartend da. Es gab nichts sonst, was er hätte tun können. Er sah sich am Himmel nach Freunden um. Er fand den Adler und den Stier mit dem rot glühenden Aldebaran, das schimmernde Siebengestirn. Er sah Orion seine Keule ermutigend schwingen, während Beteigeuze und Rigel von seiner Schulter und seinem Fuß herunterzwinkerten. Er sah den Schwan und den Adler auf der breiten Milchstraße aufeinander zufliegen, er sah eine dunstige Andeutung der fernen Andromeda, die Nachbarn der Erde, Tau Ceti und Prokyon, und Sirius, den Hundsstern. Voller Verlangen und Hoffnung sah Will zu ihnen hinauf, voller Hoffnung grüßte er sie, denn während der Zeit, da er gelernt hatte, was es bedeutet, einer der Uralten zu sein, war er zwischen ihnen allen herumgeflogen.
    Dann drehte der Himmel sich und die Sterne glitten zur Seite und machten anderen Platz; jetzt galoppierte der Zentaur über den Himmel und der blaue Doppelstern Acrux unterstützte das Kreuz des Südens. Die Hydra räkelte sich träge über den Himmel, neben sich den Löwen, und das große Schiff folgte gemächlich seinem ewigen Weg. Und zuletzt tauchte über der halben umgekehrten Suppenschüssel des Himmels ein helles Licht mit einem langen gebogenen Schwanz flammend auf und bewegte sich langsam und würdevoll voran. Jetzt wusste Will, dass er und Bran die erste Prüfung überstanden hatten.
    Er drückte Bran kurz den Arm und sah reflektiertes Licht aufleuchten, als der weiße Kopf sich ihm zuwandte.
    »Es ist ein Komet!«, flüsterte Bran.
    Will flüsterte zurück: »Warte ab. Wenn alles gut geht, kommt noch mehr.«
    Der lange leuchtende Schwanz des Kometen verschwand allmählich hinter dem Horizont ihrer namenlosen Welt und Zeit. In der schwarzen Hemisphäre strahlten die Sterne immer noch und drehten sich langsam; unter ihnen fühlte Will sich so unendlich klein, dass ihm sogar seine bloße Existenz unmöglich erschien. Die Unermesslichkeit bedrückte ihn, erschreckend, drohend — und dann, in einer blitzschnellen Bewegung, wie Tanz, wie das Aufblitzen eines springenden Fisches, ließ eine Sternschnuppe den Himmel aufleuchten. Und noch eine, und noch eine, hier, dort und rundherum. Er hörte Bran einen kleinen Laut des Entzückens ausstoßen, ein Funke von der gleichen plötzlichen strahlenden Freude, die ihn selbst erfüllte.
Wünsch dir etwas,
sagte eine winzige Stimme in seinem Kopf, eine Erinnerung an seine lange zurückliegende frühe Kindheit:
Wünsch dir etwas —
ein freudiger und vertrauensvoller Ruf, so alt wie die Menschheit.
    »Wünsch dir etwas, wenn du eine Sternschnuppe siehst«, flüsterte Bran ihm ins Ohr. Rund um sie tauchten die Meteore rasch unter und verschwanden, wie winzige Teilchen von Sternennebel auf ihrem langen Weg die Lufthülle der Erde berührten, hell aufleuchteten und verschwunden waren.
    Ich wünsche,
sagte Will in Gedanken heftig:
Ich wünsche ... Oh, ich wünsche ...
    Und der ganze sternenhelle Himmel war erloschen, in einem Aufflackern von Zeit, die sie nicht festhalten konnten, und Dunkelheit umgab sie, so schnell, dass sie ungläubig in das dichte Nichts blinzelten. Sie befanden sich wieder in dem Treppenschacht unter dem Vogelfelsen, spürten die steinernen Stufen unter ihren Füßen und das geschwungene Steingeländer glatt unter der blinden Berührung ihrer Hände. Und als Will eine Hand tastend vorstreckte, stieß er nicht mehr auf eine nackte Wand, die ihm den Weg versperrte, sondern auf freien offenen Raum.
    Langsam, zögernd ging er die dunkle Treppe weiter hinunter und Bran und Cafall folgten ihm.
    Dann

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