Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
zu retten!« Bran erstickte die Stimme und er begann zu weinen.
»Wovon sprichst du? Ein Fuchs? Verflixt noch mal, Junge, du bist ebenso verrückt wie der Hund.« Prichard entfernte die Patronenhülse aus seinem Gewehr; sein dickes Gesicht war voller Verachtung.
Owen Davies kniete neben Bran nieder. »Komm,
bachgen«,
sagte er sanft. »Es war weit und breit kein Fuchs zu sehen. Ca-fall ist auf die Schafe losgegangen, da gibt es keinen Zweifel. Wir haben es alle gesehen. Er war ein wunderschöner Hund, ein gutes Tier« — seine Stimme bebte, und er räusperte sich —, »aber er muss durchgedreht sein. Ich möchte nicht behaupten, dass ich ihn an Caradogs Stelle nicht auch erschossen hätte. Er war im Recht. Wenn ein Hund zu einem Killer wird, gibt es keine andere Wahl.«
Er hatte den Arm fest um Brans Schulter gelegt. Bran blickte zu den anderen auf, nahm tränenblind ungeschickt die Brille ab und rieb sich die Augen. Er fragte mit hoher, ungläubiger Stimme: »Aber hat keiner von euch den Fuchs gesehen? Den großen grauen Fuchs, auf den Cafall zusprang, als er das Schaf töten wollte?«
John Rowlands sagte mit seiner tiefen Stimme voller Mitleid: »Nein, Bran.«
»Es war kein Fuchs da, Bran«, sagte David Evans. »Es tut mir Leid, alter
bach.
Beruhige dich jetzt. Geh mit deinem Vater nach Clwyd. Wir werden Cafall später bringen.«
»Ach ja«, sagte Prichard und verzog das Gesicht. »Ihr könnt den Kadaver aus meinem Hof entfernen, sobald ihr wollt, ja. Und die Rechnung des Tierarztes zahlen, wenn er nach meinem Schaf gesehen hat.«
»Cae dy geg,
Caradog Prichard«, sagte Wills Onkel scharf. »Wir werden uns später um all dies Gerede von angegriffenen Schafen kümmern. Sicher könnte man von dir etwas Verständnis für die Gefühle des Jungen erwarten.«
Caradog sah ihn aus seinen kleinen, glänzenden Augen ausdruckslos an. Er bedeutete einem seiner Männer, das verwundete Schaf fortzubringen. Dann spuckte er gleichmütig auf den Boden und schlenderte auf sein Haus zu. Eine Frau stand dort in der Tür. Sie hatte sich während der ganzen Ereignisse nicht gerührt.
Brans Vater half ihm auf die Füße und führte ihn davon. Bran sah wie betäubt aus. Er blickte Will aus leeren Augen an, als wäre er gar nicht vorhanden.
David Evans sagte trübsinnig: »Einen Augenblick noch. In dem Wagen müssen ein paar Säcke sein. Ich komme mit und hole sie mir.«
John Rowlands stand neben Will in dem feinen Sprühregen, saugte an einer leeren Pfeife, blickte nachdenklich hinunter auf den stillen weißen Körper mit der schrecklich klaffenden Wunde in der Brust. Er fragte: »Und hast du diesen Fuchs gesehen, Will Stanton?«
»Ja«, sagte Will. »Natürlich. Er war so deutlich vor uns zu sehen, wie Sie es jetzt sind. Er hat versucht, uns auf dem Vogelfelsen anzugreifen, und Cafall hat ihn nach hier unten verfolgt. Aber keiner von Ihnen konnte ihn sehen. So wird uns also niemand je glauben, oder?«
John Rowlands schwieg einen Moment, sein zerfurchtes braunes Gesicht war unergründlich. Dann sagte er: »Manchmal gibt es in diesen Bergen Dinge, die schwer zu glauben sind, auch wenn du sie mit eigenen Augen gesehen hast. Nimm zum Beispiel Cafall. Mit unseren eigenen Augen sahen wir ihn allein das Schaf anspringen. Und tatsächlich hat irgendein Tier seine Zähne in den Hals des Schafes geschlagen und muss sich dabei ein blutiges Maul geholt haben, denn das Fell des Schafes war voller Blut; es ist ein Wunder, dass es noch lebt. Aber da ist etwas Seltsames und das will mir nicht aus dem Kopf gehen — obwohl der arme Cafall dort liegt und seine zerschmetterte Brust von seinem eigenen Blut verschmiert ist,
befindet sich kein Tropfen Blut an seiner Schnauze.«
Teil II
Die Schläfer
Das Mädchen aus den Bergen
Will sagte: »Entschuldigen Sie, Mr Davies, ist Bran schon von der Schule zurück?«
Owen Davies fuhr hoch. Er hatte in einer der Scheunen gestanden, über den Motor eines Traktors gebeugt; sein dünnes Haar war zerzaust und sein Gesicht ölverschmiert.
»Es tut mir Leid«, sagte Will. »Ich habe Sie erschreckt.«
»Nein, Junge, das ist schon in Ordnung. Ich war mit meinen Gedanken nur etwas weiter weg, als dieser Motor es ist, glaube ich ...« Er verzog das Gesicht zu dem kläglichen Grinsen, das bei ihm das Äußerste als Ersatz für ein Lächeln zu sein schien. All die Falten in seinem mageren Gesicht schienen im Nichts zu enden, dachte Will: Nie sah er einen Ausdruck in Mr Davies' Zügen. »Bran ist zu Hause,
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