Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
Vom Netzwerk:
anderen Seite von Caradog Prichards Hof. Seine Jeans waren bereits klitschnass, trotz der Gummistiefel, die er sich von Tante Jen geliehen hatte. Ein Teil seines Weges führte ihn über das Land, über das das Feuer hinweggefegt war, und eine dünne Schicht schwarzen Schlamms setzte sich auf seinen Stiefeln fest.
    Will schritt niedergeschlagen dahin. Hin und wieder sah er sich um, für den Fall, dass Caradog Prichard in der Nähe auftauchen sollte, aber die Felder waren verlassen und merkwürdig still. Es waren keine Vogelstimmen zu hören und sogar die Schafe schienen verstummt zu sein. Nur selten drang von der Talstraße das Geräusch eines Autos herüber. Es war, als warte das graue Tal auf irgendetwas. Will versuchte, die Stimmung des Ortes genauer zu erspüren, aber während der ganzen Zeit durchdrang seine Vorstellungen wieder die Feindseligkeit des Grauen Königs, die immer stärker anwuchs, zuerst ein Flüstern, das zu einem Rufen wurde und bald zu einem wutentbrannten Schrei anwachsen würde. Es war schwierig, noch andere Dinge zu beachten.
    Er kam zu der Hütte mit dem Schieferdach, wo er die Harfe zwischen den Stapeln von Heuballen versteckt hatte. Die Kraft seines eigenen Bannes brachte ihn zehn Fuß vor der Hütte zum Stillstand, als sei er gegen eine Glaswand gelaufen.
    Will lächelte. Dann fing er an, sehr leise zu singen, um den Zauberbann auf die vorgesehene Weise zu brechen. Es war ein Zauberlied in der Alten Sprache, und seine Worte waren nicht wie die der menschlichen Sprache, sondern unbestimmter, eher eine Art von Tonabstufungen. Will sang gut, mit gut ausgebildeter Stimme, und die hohe klare Melodie schwebte so leicht wie Lichtstrahlen durch die trübe Luft. Will spürte, wie die Kraft des Bannes dahinschmolz. Er kam zum Ende des Liedes.
    Caradog Prichards Stimme hinter ihm sagte kalt: »Eine richtige kleine Nachtigall, was?«
    Will erstarrte. Er drehte sich langsam um und stand schweigend da und musterte Prichards teigiges, rundes Gesicht mit der krummen Nase und den Augen, die wie schwarze Johannisbeeren aussahen.
    »Nun?«, sagte Prichard ungeduldig. »Was hast du eigentlich vor? Stehst hier mitten auf meinem Feld und singst die Hecke an. Bist du verrückt, Junge?«
    Will starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und gab sich Mühe, so töricht wie möglich auszusehen. »Es war das Lied. Es ist mir gerade eingefallen, ich wollte es ausprobieren. Es wird hier erzählt, dass Sie ein Dichter sind, Sie müssten das doch verstehen.« Er senkte die Stimme und sagte wie ein Verschwörer zum anderen: »Ich schreibe nämlich manchmal Lieder. Aber erzählen Sie es bitte nicht weiter. Sie lachen immer alle. Sie halten es für dämlich.«
    Prichard fragte: »Dein Onkel?«
    »Alle zu Hause.«
    Prichard blinzelte ihn misstrauisch an. Die stolze Bezeichnung »Dichter« hatte ihre Wirkung nicht verfehlt, aber er gehörte nicht zu den Männern, die unvorsichtig werden, und das gar für längere Zeit. Er sagte verächtlich: »Oh, die Engländer, sie haben keine Ahnung von Musik, das überrascht mich überhaupt nicht. Trampel sind sie, richtige Trampel. Du hast eine sehr gute Stimme — für einen englischen Jungen.« Dann wurde seine Stimme plötzlich scharf. »Aber du hast gar nicht englisch gesungen, oder?«
    »Nein«, sagte Will.
    »Was dann?«
    Will strahlte ihn vertrauensvoll an. »Eigentlich gar keine richtige Sprache. Es waren Unsinnswörter, die zur Melodie irgendwie passten.
Sie
kennen das doch.«
    Aber der Fisch biss nicht an. Prichard zog die Augen zusammen. Er blickte mit einer raschen, nervösen Bewegung über das Tal hinweg zu den Bergen, dann zurück auf Will. Er sagte abrupt: »Du gefällst mir nicht, englischer Junge. Irgendwas ist komisch an dir. All dies Gerede über Lieder und Singen erklärt nicht, was du hier auf meinem Land zu suchen hast.«
    »Ich hab nur eine Abkürzung genommen«, sagte Will. »Ich hab nichts kaputtgemacht, ehrlich.«
    »Ach ja, Abkürzung? Von wo nach wo denn? Das Land deines Onkels liegt alles dort drüben, von wo du gekommen bist, und hinter uns gibt es nur Heideland und Berge. Nichts für dich. Geh zurück nach Clwyd, Nachtigall, zurück zu deinem schniefenden kleinen Freund, der seinen Hund verloren hat. Hau ab! Weg mit dir!« Plötzlich schrie er, das teigige Gesicht dunkelrot. »Raus! Raus!«
    Will seufzte. Er konnte nur eines tun. Er hatte nicht die besondere Aufmerksamkeit des Grauen Königs erregen wollen, aber er konnte die Harfe unmöglich der Gefahr

Weitere Kostenlose Bücher