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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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wirbelte, und wieder war die Gestalt mit der Kapuze da, und die Frau ebenfalls; sie streckte sehnsüchtig die Arme aus. Dann schlug der hohe Herr, der Merriman hieß, seinen Umhang um die Frau, und beide waren fort, verschwunden im Nebel und, das wusste Bran, aus dieser Welt. Er sah nur ein einziges anderes Bild: Tief unten schimmerte durch einen Riss im Nebel das Wasser eines fernen Sees wie ein verlorener Edelstein.
    Bran verstand nicht. Er wusste, dass er irgendwie etwas aus der Vergangenheit sah, das seine Mutter betraf, aber es war nicht genug. Was hatte Merriman mit ihrem Auftauchen zu tun, mit dem Anfang und dem Ende davon? Er zwinkerte mit den Augen und stellte fest, dass er wieder seinen Vater ansah. Davies' Augen waren weit geöffnet vor Besorgnis; er hielt Bran am Arm und rief seinen Namen.
    Und mit dem neuen Teil seines Empfindens, den er noch nie wahrgenommen hatte, wusste Bran plötzlich, dass er jetzt die Kraft hatte, mehr Dinge zu tun, als ihm normalerweise möglich gewesen wäre. Er vergaß alles andere, was an diesem Tag geschehen war, und dachte nur an den flüchtigen Anblick seiner Mutter auf einem Berg über einem schimmernden See; plötzlich wollte er nur noch eines: so schnell wie möglich zum Tal y Llyn und zu den Hängen des Cader Idris gelangen, um herauszufinden, ob dieser neue Teil seines Empfindens dort andere Erinnerungen erspüren konnte, so wie gerade eben.
    Und er wusste, dass er auch etwas anderes konnte. Er sprang auf und rief den Hund mit einer kräftigen Stimme, die kaum seine eigene zu sein schien:
»Tyrd yma,
Pen!«
    Und der schwarze Schäferhund erhob sich auf der Stelle aus seiner flach gedrückten Lage, machte einen Satz, und Junge und Hund liefen hinaus und quer über das Heideland davon.
    Owen Davies stand stumm da und sah ihnen einen Augenblick nach, sein Gesicht alt vor Furcht und Besorgnis. Dann ging er mit schweren Schritten hinaus zum Wagen und schlug den Weg zu Idris Jones' Hof ein.
     
    Will kam langsamer voran, als er erwartet hatte. Die sperrige Form der Harfe, die er gegen seine Brust drückte, schnitt in seinen verletzten Arm, und es schmerzte so, dass er die Harfe bald kaum noch halten konnte. Er hielt oft an, um ihre Lage zu verändern. Es gab noch andere Gründe für Pausen. Die bösartige Feindseligkeit, die sich im Tal ausbreitete, griff nach ihm wie eine große Hand, schob ihn zur Seite, drohte, ihn mit Riesenfingern zu packen und zu einem Nichts zu zerquetschen. Will fuhr verbissen weiter. Erst die Kate, dann der See. In dem misstönenden Chaos, das ihn zurückzuhalten versuchte, konnten nur die einfachsten Gedanken und Bilder überleben, Gestalt behalten.
Erst die Kate, dann der See.
Er ertappte sich dabei, wie er die Worte vor sich hin flüsterte. Das waren die beiden Aufgaben für die Harfe, die vor allem anderen in den nächsten zwei oder drei Stunden durchgeführt werden mussten. Die verzauberte Musik musste Pen aus dem Griff des Wachsteins befreien, in der Kate, sodass er Caradog Prichards Gewehr entkommen konnte. Das war eine einfache Angelegenheit. Aber dann, wichtiger als alles auf der Welt, musste die Musik die Schläfer vom freundlichen See wecken, die Wesen, die ihren zeitlosen Schlaf neben dem Tal y Llyn schliefen — wer auch immer und was auch immer diese Wesen sein mochten. Denn wenn ein Herr der Finsternis wie der Graue König eine so erstaunliche Macht gewinnen konnte wie jetzt, da er nach Jahrhunderten von murmelndem Schlaf unter seinem Berg das ganze Tal ausfüllte, dann erhob sich die Finsternis wirklich, und ihre gesammelte Macht wurde immer größer, wie eine riesige Wolke, die die ganze Welt zu umschlingen drohte.
    Endlich kam Will zur Kate — und fand sie leer.
    Er stand zwischen den kahlen Steinwänden, bestürzt und besorgt. Wie konnte Pen der Macht des Wachsteins entkommen sein? Wo war Bran? War Caradog Prichard auf sie gestoßen, mithilfe des Grauen Königs, und hatte beide mitgenommen? Unmöglich. Caradog Prichard war ein ahnungsloser Handlanger, der selbst nichts wusste von seinen Verbindungen zum Grauen König. Er war nur ein Mensch, mit den Instinkten eines Menschen, den schlimmsten Instinkten, während die guten elendig zugrunde gegangen waren. Wo
war Bran?
    Er ging hinüber zur Ecke. Der kleine weiße Kieselstein, der der Wachstein war, lag genauso da wie vorher, harmlos und tödlich. Rund um ihn pulste der Wille des Grauen Königs mit unerbittlicher Kraft:
Geh fort, gib auf, du wirst nicht siegen, gib auf, geh

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