Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
seltsame Gestalten auf, hohe, fantastisch bunte Gestalten, die ganz mit bunten Bändern und Blättern bedeckt waren und die auf den Schultern monströse Pappköpfe trugen.
»Die müssen zum Maskenzug gehören.«
»Ich glaube, er geht jetzt los. Horch mal, was für ein grässlicher Lärm.«
Das Musikkorps schickte Wellen schwankender Blechtöne herüber, die sich allmählich zu einer erkennbaren Marschmelodie klärten.
»Ach, komm schon, so schlecht ist es gar nicht«, sagte Jane. »Sie sind wohl mehr ans Fischen gewöhnt als ans Trompetenblasen. Jedenfalls klingt es sehr munter. Mir gefällt's.«
»Hmm. Am besten, wir setzen uns hier in der Ecke auf die Mauer, dann können wir Barney abfangen, wenn er vorbeikommt.« Simon trat auf die Straße und schaute den Hügel hinauf. »Ich kann ihn nicht entdecken. Aber es sind so viele Leute überall, dass man gar nicht richtig sehen kann.«
»Wenn schon.« Jane zog sich auf die niedrige Mauer hinauf und zuckte, als ihr das scharfkantige Schiefergestein in die Kniekehlen schnitt. »Wir warten einfach. Hör mal, die Musik wird lauter!«
»Musik!«, sagte Simon.
»Sieh mal ... der Zug geht los. Sie kommen hierher!«
»Ach was, Mrs Palk hat gesagt, dass sie gleich den Berg hinaufgehen.«
»Vielleicht gehen sie von dieser Ecke des Hafens aus ins Dorf hinauf, nicht von der anderen. Vielleicht machen sie auch zuerst die Runde durchs Dorf ... Sieh mal, sie sind alle verkleidet. Und sie spielen das Lied, das Mrs Palk heute Morgen gesungen hat, den
Floral Dance.«
»Jedenfalls haben wir von hier einen guten Blick.« Simon stemmte sich hoch und setzte sich neben sie auf die Mauer.
Langsam bewegte sich die Menschenmenge über den Frontkai auf sie zu, Kinder rannten und sprangen vor den Männern des Musikkorps her, die mit roten Gesichtern und aufgeblasenen Backen in die Trompeten stießen. Hinter den Musikanten kam, begleitet vom Gedränge entzückter Touristen, die Reihe der tanzenden fantastischen Gestalten, die sie von der anderen Hafenseite her gesehen hatten. Die grotesken Köpfe schwankten und hüpften, als parodierten sie einen langsamen Tanz, und andere maskierte und verkleidete Gestalten liefen in der Menschenmenge hin und her. Immer wieder stürzten sie sich auf die Zuschauer, nahmen hier hübsche Mädchen bei der Hand, taten so, als schlügen sie dort auf kreischende alte Damen mit eine bändergeschmückten Rute ein. Sie brachten Dorfleute und Touristen dazu, sich an den Händen zu fassen und mit ihnen einen Reigen quer über die Straße zu tanzen.
»Pong Pong di pong-pong-pong«, dröhnte die Musik den Kindern in den Ohren. Sie saßen an der Ecke auf der Mauer und bergauf und bergab wogte die Menge um sie herum.
Jane, die mit entzücktem Lächeln auf die grinsenden Riesenköpfe hinunterschaute, starrte plötzlich in die Menge hinein. Sie streckte die Hand aus und schrie Simon etwas ins Ohr.
Simon konnte nichts hören als die Musik, die von allen Seiten auf ihn eindröhnte, sodass die Mauer zu wackeln schien. »Was?«, schrie er zurück.
Jane neigte den Kopf dicht an sein Ohr. »Da ist Mrs Palk! Schau doch! Da hinten, mit den Federn auf dem Kopf, direkt hinter dem Mann mit dem Blätterkleid. Schnell, wir müssen zu ihr!« Und bevor Simon sie zurückhalten konnte, war sie von der Mauer geglitten und befand sich schon am Rand der Menge.
Simon sprang hinter ihr her und fasste sie am Arm, als sie sich gerade zwischen zwei Reihen lachender Tänzer durch die Menge drücken wollte. »Nicht jetzt, Jane!« Aber auch er wurde eine Strecke von der tanzenden Menge mitgezogen, bevor er Jane an den Rand zurückziehen konnte. Sie standen, dicht gegen die Mauer gedrängt, auf der Straßenseite, die vom Hafen abgekehrt war, eingekeilt zwischen anderen Zuschauern, die den Tanz der Maskierten an sich vorbeiziehen ließen.
Und darum sahen sie Barney nicht, der sich auf der nach oben führenden Straße am
Grauen Haus
vorbei nach unten durchgearbeitet hatte. Er war zwischen den Beinen der Leute hindurch um die Ecke der Mauer herumgeschlüpft, ohne den Festzug zu beachten, und er lief jetzt, so schnell er konnte, am inneren Kai entlang auf die Stelle zu, wo sie sich verabredet hatten.
12. Kapitel
Barney hatte lange gebraucht, um am Haus vorbei den Hügel hinunterzukommen. Auf der Landzunge war kein Zeichen von Großonkel Merry zu sehen gewesen. Immer wieder hatte er Scharen von Spaziergängern ausweichen müssen, was recht ärgerlich war, und dreimal hatte er am Straßenrand
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