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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Mathematik.«
    »Entschuldige, Catherine, aber worüber streiten wir uns hier eigentlich?«
    Li verschränkte die Arme, biss die Zähne aufeinander und starrte störrisch ins Leere. Er hatte offenbar eine empfindliche Stelle getroffen. Aber warum? Und was hatte es damit zu tun, dass er sich dem Router/Decomposer gegenüber »herablassend« verhielt?
    »Meinst du«, sagte er, »dass wir uns darüber vielleicht einmal ernsthaft unterhalten sollten?«
    Sie warf ihm einen schiefen Blick zu. »Ja, ich glaube auch, dass wir uns darüber vielleicht einmal ernsthaft unterhalten sollten. Aber wenn wir uns jetzt darüber unterhalten, läuft es nur auf eines hinaus. Und das will ich nicht. Auf keinen Fall.«
    Erleichterung sickerte durch Cohen wie Schneeschmelze, befreite Systeme, die sich in einer Warteschleife der Beunruhigung festgefahren hatten. »Und wann, meinst du, werden wir so weit sein, dass wir darüber sprechen können?«, fragte er.
    Sie setzte sich auf und sah ihn eindringlich an. »Das sieht dir gar nicht ähnlich. Du bist sonst immer der Erste, der einen Streit vertagt, den wir heute nicht austragen können.«
Aber trotz aller guten Vorsätze konnte Cohen nicht anders, als weiter Druck zu machen.
    »Das Problem ist nur«, sagte er, »dass ich mich zügig dem Erreichen der Konvergenzkriterien nähere, die den Abbruch dieses speziellen iterativen Prozesses anzeigen.«
    Jede andere Person, mit der er je verbunden gewesen war (mit der Mathematikerin, deren Schwächen weit über das rein Syndikatische hinausgegangen waren), hätte jetzt gefragt, was das zum Teufel bedeuten sollte. Li sah ihn aber bloß an, den Blick ruhig und geradeaus, und sagte: »Bittest du um eine Trennung?«
    »Nein! Mein Gott!« Er setzte sich auf, und das Zimmer drehte sich um ihn. »Du bist so weit über Paranoia hinaus, dass es nicht einmal ein Wort dafür gibt! Ich wollte mit dir nur darüber sprechen, warum du solche …« Er schreckte vor dem Reizwort Angst zurück. »Was immer der Grund dafür sein mag, dass du mich ausschließt.«
    »Was wäre, wenn es etwas ist, das du nicht ändern kannst?«
    »Ich kann eine Menge ändern, Catherine.«
    Der Schatten eines unfreundlichen Gedankens strich ihr übers Gesicht. Er konnte ihn nicht hören. Sie schloss ihn völlig aus. Und obwohl er die Tür hätte einreißen können, statt draußen zu stehen und anzuklopfen, wusste er, dass es nach einem solchen Gewaltakt keine Zukunft mehr für sie beide geben würde.
    Er wartete. Sie sah ihn an und wusste, dass er wartete. Und sie ließ ihn warten.
    »Du kannst mich nicht verändern«, sagte sie.
     
    Cohen stand unter der Dusche und genoss das Gefühl von heißem Wasser, das über Rolands Haut floss. Auf der Erde roch das Wasser anders. Besser. Und wie so viele der kleinen körperlichen Annehmlichkeiten konnte man es nicht simulieren, ganz gleich über welche hochgezüchtete Stromraumverbindung man verfügte.

    Andererseits wurde das Wasser auf der Erde sehr viel früher abgeschaltet als im Ring. Selbst die fürstlichen Zimmerpreise im König-David-Hotel verschafften einem kaum mehr als dreißig Sekunden zusätzlich. Und weil Israel nun einmal Israel war, lohnte es sich nicht, die Rezeption anzurufen. Wenn man es tat, bekam man eher einen Vortrag über Wassereinsparung zu hören, als dass man länger duschen konnte.
    Cohen seufzte. Der Tag fing alles andere als vielversprechend an. Und er, oder besser Roland, hatte Kopfschmerzen. Auf israelische Marotten konnte er heute Morgen wirklich verzichten.
    Er streckte einen Fühler in die ambienten KI-Systeme des Hotels aus und konnte die ersten Eindrücke bestätigen, die er im Laufe der letzten Woche durch beiläufige Kontaktaufnahmen gewonnen hatte. Es war ein primitives, auf Entscheidungsbäumen basierendes System, das es eigentlich nicht verdiente, als intelligent bezeichnet zu werden. Er hackte sich problemlos ein, arbeitete sich zu den Voreinstellungen der Duschanlagen vor und änderte die vierminütige Laufzeit auf zehn Minuten. Und weil er sich für einen netten Kerl hielt (und keine Lust hatte, sich zu rechtfertigen, wenn der Hack entdeckt wurde), änderte er auch die Duschzeiten für die übrigen 212 Gäste.
    Natürlich hatte er die Dusche nicht genießen können. Statt das angenehme Prickeln von heißem Wasser auf Rolands Rücken zu spüren, stand er einfach nur in Dampf gehüllt da und grübelte über das Spiel nach.
    Vor fast vier Jahrhunderten hatte Hyacinthe Cohen eine erste rudimentäre Version

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