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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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haben wir es hier zu tun. Ich kann nicht erklären, wie es herkam oder von wem das Gendesign stammt, aber ich glaube zu wissen, was man damit erreichen wollte.«
    »Aurelia sagte, dass du dir nicht sicher bist, ob es wirklich ein künstliches Genom ist.«
    »Als ich mit ihr gesprochen habe, war ich mir auch noch nicht sicher.« Er warf einen scharfen Blick auf Arkady. »Warum
hat sie mit dir darüber gesprochen? Solltest du mich davon abhalten, weiter über Kapitän Blighs Brotfruchtbäume zu lästern?«
    Arkady lachte ungewollt. »Ist das sein neuer Spitzname?«
    »Na ja, so nenne ich ihn jedenfalls. Ich kann nicht wiederholen, wie Aurelia ihn in Reichweite deiner empfindlichen Ohren nennt.«
    »Sei ihr nicht böse, weil sie mit mir gesprochen hat. Sie mag dich. Sie will bloß nicht dabei zuschauen, wie du dich selber in Schwierigkeiten bringst.«
    »Ich weiß. Und ich weiß es zu schätzen. Und es tut mir leid, was ich nach der letzten Besprechung gesagt habe. Ich habe überreagiert. Nur … mir sind dabei unangenehme Erinnerungen hochgekommen.«
    Arkasha rieb sich mit einer Hand über die Stirn und setzte sich ein wenig schlaff nieder. Für Arkady sah er immer noch fiebrig aus, und es lag nicht nur am Fieber der Aufregung.
    »Na, wie auch immer. Das Virus. Das Folgende bewegt sich noch im Bereich wilder Spekulationen. Aber ich glaube, es ist ein evolutionärer Suchalgorithmus. Fontana, der Mensch, von dem die Turing-Suppe stammt, hat sein ganzes Leben an der Beziehung zwischen genetischer Robustheit und evolutionärer Entwicklungsfähigkeit gearbeitet. In anderen Worten, wenn Spezies eine schnelle Veränderung benötigen, um auf Veränderungen in ihrer Umwelt zu reagieren, warum sind die meisten evolutionär erfolgreichen Organismen so resistent gegen Veränderungen? Was ist der adaptive Wert all der epistatischen Effekte und Redundanten, die die kommerziellen Gendesigner im UN-Raum immer aus ihren Genomen entfernen und wir immer zu erhalten versuchen? Fontanas große Idee war etwas, das er neutrale Netzwerke nannte. Ich erinnere mich an die neutralen Netzwerke aus dem ersten Semester in Gentechnik. Sie sind unabdingbar, wenn man verstehen will, wie Genotypus-Raum im Phänotypus-Raum abgebildet wird, wie die DNS das biologische Äquivalent
eines Computerprogramms in einen realen, lebenden Organismus umsetzt. Sie sind auch der Grund dafür, warum Gendesigner immer wieder auf Designprobleme vom Typ ›von hier aus geht’s nicht weiter‹ stoßen. Du weißt, was ich meine: auf den ersten Blick geringfügig Modifikationen, die aber so viele Eingriffe in den genetischen Code mit so vielen unbeabsichtigten Nebenwirkungen erfordern, dass man die ›Modifikationen‹ nicht vornehmen kann, ohne das gesamte Genset zu zerlegen und wieder von vorn anzufangen.«
    Arkady nickte. Für die Designteams der Syndikate war dies ein vertrautes Problem und ein wesentlicher Grund dafür, warum Änderungen an den Abstammungslinien nur langsam, schrittweise und sehr behutsam vorgenommen wurden. Die kommerziellen Gendesigner in der Zeit vor der Abspaltung waren kühner zu Werke gegangen; aber sie hatten Auslesequoten für ihre firmeneigenen Konstrukte akzeptiert, die selbst das MotaiSyndikat als ethisch nicht vertretbar betrachtet hätte.
    »Deshalb ist dies eine der ersten Lektionen der Gentechnik: zwei Organismen, die sich in der äußeren Erscheinung ähneln, müssen nicht unbedingt ein ähnliches Genset haben. Die Ähnlichkeit bedeutet nur, dass ihre DNS sich im selben neutralen Netzwerk bewegt. Und eine der grundlegenden Binsenweisheiten der Evolutionsgenetik besagt, dass die erfolgreichsten Spezies gewöhnlich auch über die größten neutralen Netzwerke verfügen. Fontana hatte die Theorie, dass die Natur mithilfe neutraler Netzwerke die Wahrscheinlichkeit minimiert, in eine Designsackgasse zu geraten. Wie neutrale Netzwerke dies bewerkstelligen, erläuterte er an Karten des alten Europa auf der Erde. Was, nehme ich an, nicht ganz dumm ist, denn bei neutralen Netzwerken geht es nun einmal um die Wichtigkeit von Begrenzungen und Territorien. Nehmen wir an, wir bewegen uns durch irgendein Land. Sagen wir Frankreich. Wir wollen aber nach Deutschland. Nun, wenn man irgendwo mitten in Frankreich herumläuft,
sind viele Schritte erforderlich, um nach Deutschland zu kommen … Schritte, die – im Kontext der Mutationen betrachtet – alle mit dem erdrückenden Risiko belastet sind, nicht lebensfähige Phänotypen hervorzubringen. Aber

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