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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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wissen lassen will.«

    »Und nicht einmal du kommst an die Originaldateien heran?«
    »Nicht einmal ich. Ich frage mich allmählich, ob sie noch existieren.«
    »So etwas kann einen verrückt machen«, sagte Gavi ernst.
    »Ja, kann sein.« Cohen blinzelte und schüttelte den Kopf, plötzlich irritiert vom Flackern einer der vielen Monitore im Zimmer. »Kannst du den Monitor dort ausschalten? Danke. Nein, den da. Ja.«
    »Hast du immer noch Anfälle?« Gavi runzelte besorgt die Stirn. »Ich dachte, du hättest diesen Bug längst behoben.«
    »Habe ich auch. Aber ich bin nicht hier, um Catherines Psyche zu analysieren oder über gekoppelte Oszillatoren zu diskutieren. Wie geht es dir? «
    »Fabelhaft.«
    »Könntest du bitte dieses schmierige Grinsen unterlassen und mir eine ehrliche Antwort geben?«
    Das Grinsen wurde breiter. »Beschissen.«
    »Gavi! Komm schon.«
    Gavi warf ihm einen kühlen, glatten, leicht amüsierten Blick zu.
    »Warum verhältst du dich so, Gavi?«
    »Wie denn? Wie ein Mann, der sich mit jemandem unterhält, den er zwei Jahre lang nicht gesehen hat?«
    »Und wessen Schuld ist das?«
    »Meine.« Das Grinsen war wieder da. »Ich wollte dich anrufen, wenn ich mit dem Selbstmitleid durch und soweit bin, dass ich wieder nach vorn gehen und mitmischen kann. Gib’s zu, Cohen. Du kannst Leute, die dich nicht brauchen, einfach nicht ausstehen.«
    »Nein. Ich liebe Menschen, die mich nicht brauchen. Deshalb habe ich Catherine geheiratet. Was ich nicht mag, sind Leute, die so tun, als bräuchten sie mich nicht, nur weil sie zu stur und zu stolz sind, mich um Hilfe zu bitten, wenn sie Hilfe brauchen. Und könntest du bitte so freundlich sein, nicht mehr über mich zu lachen?«

    »Ich lache mit dir, kleine KI. Und ist dir vielleicht schon der Gedanke gekommen, dass du Hyacinthe siehst, wenn du mich heute ansiehst? Ich meine den Mann, nicht das Interface-Programm. «
    »Du tust alles, damit wir hier nur über mich reden, nicht über dich, was?«
    Gavi zitterte inzwischen vor unterdrücktem Lachen. »Also wirklich, Cohen. Wenn du den ganzen Weg hierher gekommen bist, nur um dich an meiner Schulter auszuweinen, weil ich mich nicht an deiner Schulter ausweine, wäre das doch wirklich lächerlich.«
    »Es gibt bestimmt jemanden, der etwas tun könnte. Hast du wenigstens mit Didi gesprochen?«
    »Nein. Und das werde ich auch nicht tun.«
    »Warum denn nicht?«
    »Ehrlich, Cohen. Wozu denn? Nur damit er mir sagen kann, dass er glaubt, ich habe drei seiner Leute umgebracht und das Blutgeld auf einem Ring-Bankkonto deponiert, und dass ich nur deshalb noch lebe, weil ich der Schwachkopf gewesen bin, der vor langer Zeit einmal eine Kugel gefangen hat, die für den künftigen Premierminister bestimmt gewesen war? Du hast doch eben erlebt, wie Osnat mich angesehen hat. Ich glaube, wir können ihre Gefühle als repräsentativ werten.«
    »Ich dachte nur …«
    »Hör mal.« Gavi ließ jedes Wort klar und langsam in die Stille tropfen. » Es gibt nichts, was du tun kannst. Also tu mir einen Gefallen und versuche die Sache zu vergessen. So wie ich. Übrigens brauchst du dich nicht krampfhaft bemühen, mein Bein nicht anzustarren.«
    »Habe ich das?« Cohen zuckte zusammen. »Man sollte meinen, die Tatsache, dass Hyacinthe seine letzten Lebensjahre in einem Rollstuhl verbracht hat, hätte mich davon kuriert.«
    »Es ist keine so große Sache, wie du vielleicht meinst. Also, ich versuche es nicht herunterzuspielen. Es ist wirklich
schrecklich unangenehm. Aber immerhin bin ich heute morgen aufgestanden und habe vor dem Frühstück erst einmal einen 10-km-Lauf absolviert. Ich müsste noch egozentrischer sein, als ich es ohnehin schon bin, wenn ich mir nicht darüber im klaren wäre, dass es sehr viel schlimmer sein könnte.« Gavi kniff die Augen zusammen, und seine Stimme nahm eine gewisse Schärfe an, die nicht so leicht zu überhören war. »Gut. Schluss mit dem Smalltalk. Wir beide wissen, dass du nicht hier wärst, wenn du nicht von Didi einen Passierschein bekommen hättest. Also, was will Didi von mir?«
    Cohen fasste sein Gespräch mit Didi kurz zusammen: alle Fakten (mehr oder weniger), aber keine der Zweifel, Andeutungen und düsteren Warnungen. Und die ganze Zeit sah er die schwankenden Schatten der Zedern und fragte sich, ob Didis Baumchirurg schon mit der Kettensäge gekommen war.
    Als er fertig war, starrte Gavi ihn über seine verschränkten Arme hinweg an. »Didi hat dir also deine Befehle vorgelesen, und du

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