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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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entsetzt den Blick abwandte. Wie sich herausstellte, waren es keine kosmetischen Narben, sondern alte Schrapnellwunden.
    »Und dann«, übersetzte Cohen aus dem Stegreif, »sagte er zu ihr, dass sie ihre Arme bedecken sollte, wenn ihr kalt sei. Und die sagte ihm darauf, dass er sich zum Teufel scheren sollte. Worauf er erwiderte, dass sie sich in den nächsten Shuttle zum Ring setzen sollte, wenn sie keine echte Jüdin sein wollte. Und jetzt gerade schreit sie ihm ins Gesicht, dass sie zwei Jahre an der Grenze verbracht habe und sich eine solche Scheiße von einem miesen ultraorthodoxen Drückeberger nicht bieten lassen muss, und ob er gern mal ihre Narben sehen würde. Und zwar alle.« Er grinste, halb stolz und halb verlegen. »Willkommen in Israel.«
    »Die Grenze«, sagte Li, als das Geschrei hinten im Bus endlich verstummt war. »Meint sie die Grüne Grenze?«
    Cohen nickte zerstreut und reckte den Hals aus dem Fenster, um einen ersten Blick auf die Reste der Altstadt zu werfen.
    »War dieses Mädchen ein Enderbot ?«
    Als seien sie durch dieses Wort ins Dasein gerufen worden, überquerte vor ihnen ein Trupp Soldaten die Straße und zwang den Bus zu einer Vollbremsung. Es war kein Kontrollposten; die Soldaten kamen von der Grenze zurück, mit
rotem Dreck beschmiert und in sperriger ABC-Wüstentarnkleidung.
    Ohne darüber nachzudenken, ob es ratsam sei, näherte Cohen sich den Soldaten über den Stromraum und nahm Stichproben aus den Spinströmen des Gruppenführers. In diesem Moment gingen wahrscheinlich überall im EMET-Hauptquartier rote Lichter an; aber wenn er sich so leicht in ihre Spinströme hacken konnte, dann hatte sich derjenige, der drüben für die Sicherheit verantwortlich war, redlich Dresche verdient.
    Außerdem, sagte er sich, war es nicht die schlechteste Methode, um Didi darauf aufmerksam zu machen, dass er unterwegs war.
    Als der Trupp auf der anderen Seite vom Straßenbelag trat, blickte eine der Soldatinnen zurück. Ihre Augen waren auffällig grün, und die münzenförmigen Abdrücke von Hautkontakten, die von jahrelangen kortikalen Overlays zurückgeblieben waren, hoben sich weiß von der sonnenbraunen Haut ihrer Schläfen ab. Sie war natürlich eine Sephardin; die gut betuchten Kinder der Aschkenasim saßen wieder in den EMET-Programmierbunkern, wo sie die KIs betreuten, und mussten sich nicht mehr im Overlay-Modus Landminen und Geschützfeuer aussetzen. Einige linksgerichtete Politiker hatten vorgeschlagen, die Reservisten in regelmäßigen Abständen an der Grenze rotieren zu lassen, aber es wäre zu teuer gewesen, auch nur die minderwertigen IAS-Overlaymodule in solcher Anzahl zu installieren. Und welcher Politiker wollte schon die Kinder seiner Wahlhelfer in Leichensäcken nach Hause schicken? Und deshalb saßen die privilegierten Kinder der Aschkenasim unter Weißlicht in den IAS-Programmierbunkern und verhätschelten, entwanzten und belogen die taktischen KIs. Und die Kinder der Iraker, Nordafrikaner und Äthiopier mussten sich mit den Einsatzprämien, den Kugeln und den genetischen Schäden zufrieden geben.

    »Das ist also EMET.« Lis Stimme klang flach und ausdruckslos.
    »Genau. EMET, das ist Catherine. Catherine, das ist EMET, das letzte und angeblich fortschrittlichste Stadium in der Evolution Emergenter KIs für militärische Anwendungen. Wenn du einen Krieg führen willst, kein Problem, EMET stellt alles dafür bereit, vom einfachsten Gefreiten bis zum dicksten General. Und Israel ist nur der Feldversuch. Wenn die kleine EMET diesen Krieg zufriedenstellend abwickelt, wird sie Soldaten dauerhaft arbeitslos machen … außer dem durch Overlay gesteuerten Kanonenfutter.«
    Li sah den Soldaten hinterher. Sie wirkte krank. »War dieses Mädchen gerade im Overlay?«
    »Keine Ahnung«, log Cohen.
    Aber natürlich wusste er es. Und selbst für ihn war es schwer vorstellbar, dass sich hinter diesen Killeraugen etwas auch nur im entferntesten Menschliches verbarg. War es das, was Li sah, wenn sie ihn ansah? Der Gedanke schickte ein Schaudern durch Rolands Körper, das auch der beste Pufferalgorithmus des Routers/Decomposers nicht unterdrücken konnte.
    »So viel könnte man mir gar nicht bezahlen, dass ich im Overlay-Modus in den Kampf gehen würde«, brummte Li.
    »Die Verluste sind sehr viel geringer, wenn die KIs alles in der Hand haben.«
    »Es gibt Dinge, die sind schlimmer als der Tod. Sich mit einer halb bewussten KI …«
    »Es sind keine halb bewussten KIs. EMETs Teil-KIs

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