Lichtjagd
Gedanken machen, wie man das Spiel so hinbiegen kann, dass es funktioniert.>
Die Bemerkung brachte Cohen einen weiteren derben Attraktor ein.
»Wie hast du es denn geschafft, dass er nicht mehr mit dir spricht?«, fragte Cohen Li auf akustischem Wege. »Und kann ich das auch hinkriegen?«
Aber Li lachte zu ausgelassen, um zu antworten. Und wenn er ihre Gedanken über das Intraface sondierte, waren die einzigen zusammenhängenden Worte, die er aufschnappen konnte:
Es war nicht schön, aber da war sie.
Wenn man vom Internationalen Flughafen Ben Gurion ins moderne Jerusalem wollte, musste man über die Jaffa-Straße fahren. Und wenn man auf der Jaffa-Straße war, kam man zwangsläufig an der Grünen Grenze vorbei.
Jedes Jahr wurde davon geredet, die Straße zu verlegen oder eine neue Schnellstraße zu bauen, die die nördliche Route nehmen würde, weg von der schmutzigen Zone. Aber jedes Jahr musste das Planungsgremium diese Vorhaben aufs nächste Jahr verschieben, denn der Bau einer neuen Straße wäre gleichbedeutend mit dem Eingeständnis, dass der Krieg keine vorübergehene Unannehmlichkeit sondern ein dauerhaftes Merkmal der Landschaft war. Es war die gleiche Mentalität, die man in jedem mit geringer Intensität, aber über
Generationen hinweg geführten Bürgerkrieg beobachten konnte: im Libanon, Irak, in Irland und Amerika. Auf der einen Seite wollte niemand angesichts sektiererischer Gewalt auf der Verliererseite stehen. Auf der anderen Seite war niemand so verrückt, dass er glaubte, ein solcher Krieg könne »gewonnen« werden. Und weil niemand so recht verstand, warum der Frieden sich in neues Blutvergießen aufgelöst hatte, pflegten die meisten Menschen eine vage Hoffnung, dass ein gegenläufiger Prozess einsetzen könnte (Cohen dachte es sich als eine Art soziopolitischen Phasenwechsel), der das Chaos des Krieges spontan in einen Zustand des Friedens umorganisieren würde.
Auf diese Weise gingen viele Jahre ins Land und die Menschen waren auf schizophrene Weise gespalten zwischen dem Warten auf den Frieden und dem Bemühen, den Krieg zwischen Hochzeiten, Bar Mitzwas und den Beerdigungen abzuwickeln, die dauernd stattfinden, wenn gleich um die Ecke ein Kampfgebiet ist. Und in der Zwischenzeit wurden die Straßen nicht repariert, der Grundstücksmarkt brach in sich zusammen, und die Sanitäranlagen machten Zicken … und Jerusalem sah mehr und mehr wie eine Stadt aus, der die Last des Bürgerkrieges das Genick gebrochen hatte.
Nirgendwo war der Verfall offensichtlicher als in dem ausgedehnten Niemandsland, das sich von der Grenze bis zu den südlichen Vororten von Jerusalem erstreckte. An den Straßenecken sprossen Schilder, die vor biologischer Verseuchung warnten, wie Giftpilze aus dem Boden. Die geteilte Schnellstraße verfiel zu einem zweispurigen Streifen zersprungenen Straßenbelags, je mehr sie sich den letzten bewohnbaren Häusern näherte. Dahinter verloren sich die beiden Spuren in von Einschlägen durchlöchertem Dreck, der gelegentlich von Bulldozern platt gewalzt wurde, um die verbliebene Straßenbettung zu glätten.
Als sie sich der Grenze näherten, war unter den Fahrgästen zunehmend Anspannung zu spüren. Im Fond des Busses
brach auf einmal ein Wettschreien zwischen einem dickbäuchigen, mittelalten Ultraorthodoxen und einer spärlich bekleideten jungen Frau aus, die ihr knappes T-Shirt hochgerafft hatte, um zu enthüllen, was Cohen im ersten Moment für bezaubernd altmodische Schmucknarben hielt.
»Was sagt sie?«, fragte Li, deren Hebräisch trotz Unterstützung durch den Spinstrom dem hohen, hitzigen Tempo der Auseinandersetzung nicht gewachsen war.
»Sie hat ihn gebeten, das Fenster zu schließen. Er hat sich geweigert.«
Die junge Frau zog nun tatsächlich ihr Hemd hoch und zeigte auf ihren Bauch, während der Ultraorthodoxe
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