Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
sind voll empfindungsfähig, bis auf die Ebene individueller Mitglieder eines Trupps.«
    Li fuhr herum und starrte ihn an. »Soll das heißen, jeder dieser Soldaten wird von einer voll empfindungsfähigen Emergenten gesteuert?«
    »Natürlich. Das menschliche Bewusstsein ist ein Betriebssystem für den menschlichen Körper. Jede KI, die einen menschlichen
Körper gut genug steuern kann, um ihn in den Kampf zu führen, muss mindestens so ichbewusst wie ein durchschnittlicher Mensch sein. In der Praxis sogar noch mehr. KIs verfügen nicht über die Ausstattung an Instinkten, autonomen Reflexen und Hormonen, auf die Menschen zurückgreifen können.«
    »Aber wie kommen sie um das Terminierungsproblem herum?«
    Wenn es Menschen statt KIs wären, die sich selbst umbringen, würde man es das Selbstmordproblem nennen, dachte Cohen bitter. Seit dem Aufbruch der Emergenten KIs war das Terminierungsproblem der große Stolperstein gewesen, der jeden Versuch einer automatischen Gefechtsführung an Land behindert hatte. Wie sich herausstellte, waren Emergente KIs mit genug Empfindungsvermögen, um nicht virtuelle Bodenkämpfe in Echtzeit auszuführen, auch empfindungsfähig genug, um an den meisten psychischen Störungen zu leiden, unter denen menschliche Soldaten litten. Und weil die Identitätsarchitektur einer KI sehr viel anfälliger war als ihr menschliches Gegenstück, führten diese Störungen zu Selbstmorden. Ein schwerer Schlag für das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Und mehr noch für die KI-Programmierer, die so dumm waren und an ihren Laborratten hingen.
    Im Laufe ihres langen Krieges, der in peinlich genauer Einhaltung der Embargogesetze geführt wurde, hatten die Israelis und die Palästinenser (die natürlich über ihre eigene EMET-Variante verfügten) sich durch jede Variante und Wiederholung des Terminierungsproblems gearbeitet.
    Anfangs verfügten EMETs KIs über ein komplettes Echtzeit-Interface, das sie mit der Grünen Grenze verband: auf dem Helm montierte Digitalkameras, umherfahrende ferngesteuerte Fahrzeuge, synthetische Schützen, die in Echtzeit arbeiteten, und SpySat-Datenzufuhr. Das Ergebnis war ein Boom synthetischer psychiatrischer Störungen und Selbstterminierungen gewesen.

    Als Nächstes versuchte man, die Grenze mit halb bewussten KIs zu besetzen. Ein totales Gemetzel. In den Himmel schießende menschliche Verluste. Friedensmärsche. Demonstrationen. Gedränge in der Knesset. Die IAS zog die Halbbewussten schneller zurück, als man das Wort »Neuwahlen« aussprechen konnte.
    Dann entwickelte man EMET.
    EMET war ein rekursives Akronym für EMET Militärisches Emergentes Taktisches System. Aber die eigentliche Bedeutung des Akronyms war ebenso mythischer wie technischer Natur. EMET – auf Hebräisch Wahrheit – war das Wort, das Rabbi Loew aus Prag in die Stirn seines Golems geritzt hatte, um toten Lehm zum Leben zu erwecken. Und als die Arbeit des Golems getan war, löschte der Rabbi einfach den ersten Buchstaben der Wahrheit von der Stirn, und das Ergebnis war MET: Tod.
    Und genau das war es, was die IAS mit EMET anstellten. Wenn eine von EMETs KIs erkannte, dass das Spiel kein Spiel war und echtes Blut vergossen wurde, wurden ein Hardware-Reset durchgeführt und die Speicherbänke gelöscht. Wie der ursprüngliche Golem waren Wahrheit und Tod in EMET nur durch einen Atemzug getrennt. Aber während die Wahrheit dem Golem des Robbi Loew Leben eingehaucht hatte, kam es für eine von EMETs KIs, wenn sie herausfand, was sie waren und was sie taten, einem Todesurteil gleich.
    »Sie werden umgebracht?«, fragte Li und erfasste EMETs Wesen in ebenso kurzer Zeit, wie Cohen brauchte, um darüber nachzudenken.
    »Schön zu wissen, dass du es so betrachtest.«
    »Wie denn sonst?«, schnauzte Li und sah dabei geflissentlich darüber hinweg, dass kein Gerichtshof im UN-Raum die Tötung einer KI als Mord verfolgen würde. »Das ist ja das Scheinheiligste, was … Wie kannst du nur für solche Leute arbeiten?«

    Cohen musste sich beherrschen, um nicht zusammenzuzucken, obwohl er genau wusste, dass Li Rolands unnatürliche Ruhe als übertriebene Selbstbeherrschung durchschauen würde. »Das ist eine komplizierte Sache. Nein, eigentlich gar nicht. Es ist mein Land.«
    , sagte sie über den Spinstrom.
    Er erkundete ihre Gefühle für EMET. Er bedrängte sie nicht, ließ ihr nur die vage Andeutung zukommen, dass er da war und ihr zuhörte. Ein halbes Dutzend

Weitere Kostenlose Bücher