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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Hund, der verhindern wollte, dass ihm jemand seinen Knochen stahl.
    »Dies war einmal ein wunderschönes Land«, sagte sie schließlich. Arkady sollte diese Worte, in dieser oder jener Formulierung, in den nächsten Wochen so oft und von so vielen Menschen auf beiden Seiten der Grenze hören, dass sie ihm wie eine Grabinschrift für das Jerusalem vorkamen, in dem Osnats Generation aufgewachsen war. »Ich wünschte, ich könnte sehen, wie es vor dem Krieg ausgesehen hat. Es wurde sogar schon vorgeschlagen, die sauberen Teile der Grenze zu öffnen und in einen internationalen Friedenspark umzuwandeln.« Sie wandte sich ab und drückte die halb aufgerauchte Zigarette aus, als sei sie ihr auf einmal zuwider. »Ach, Mist, ich weiß noch nicht einmal, warum ich dir das erzähle.«
    Arkady machte ein hilfsbereites Gesicht, aber Osnat starrte aus dem Fenster, sah nur die Vergangenheit und ihre längst vergrabenen Toten.
    »Wie auch immer.« Für einen Moment klang sie fast freundlich. »Es ist ja nicht dein Problem. Du weichst ein paar Wochen lang den Mörsern aus, und dann bist du hier wieder raus.«
    »Und du?«
    »Was ist mit mir?«
    »Warum willst du nicht gehen?«
    Sie stach mit einem nikotingelben Finger so plötzlich in seine Richtung, dass er zusammenzuckte. »Ganz genau. Das ist die Frage, die ich dem Biest im Spiegel jeden Morgen stelle.«

    »Und?«
    »Und du wirst der Erste sein, der es erfährt, wenn ich von ihm eine klare Antwort bekomme.«
     
    Danach war Arkady wohl eingeschlafen. Als er aufwachte, war die Stadt verschwunden, und sie flogen über die offene Wüste.
    Unter hoch aufgetürmten, erdbraunen Gewitterwolken, in die der Pilot jeden Moment hineinzufliegen schien, zogen sich Wellen aus Sand bis zum Horizont hin. Die Sonne schien nur schwach durch den Dunstschleier, aber Osnats sonnenverbranntes Gesicht zeugte von ihrer zerstörerischen Kraft.
    Arkady rutschte unbehaglich herum. Er hatte gehofft, dass Fliegen den anhaltenden Schmerz der vollen Erdschwerkraft mildern würde. Aber ob im Hubschrauber oder auf dem Boden, er wurde von diesem rotierenden Felsbrocken immer noch angezogen wie ein Insekt in einem Windtunnel. Jedes Gelenk knackte und schmerzte, und nach einer Weile konnte er kaum noch glauben, dass seine Ahnen lang genug überlebt hatten, um in den Weltraum aufzubrechen.
    Die Nacht brach an, und plötzlich identifizierte er etwas, das mehrere Minuten lang kaum bewusst seine Sinne gereizt hatte.
    »Da unten brennen Lichter!«
    »Was?« Nach dem verschwommenen Blick und dem entspannten Gesicht zu urteilen, das sie ihm zuwandte, war auch Osnat eingedöst. »Aber klar. Hat nichts zu bedeuten. Jemand hat einen Generator.«
    »Aber … sind wir immer noch über der Grenze?«
    Sie warf einen Blick auf ihre klobige Armbanduhr. »Ja.«
    »Da unten leben Menschen?«
    Sie legte den Kopf in den Nacken und richtete ihr heiles Auge auf ihn. »Hast du etwa gedacht, nur wegen einiger banaler Geburtsfehler ist das beste Stück Land unbewohnt? «

    »Was sind das für Leute?«
    »Sie nennen sich Ghareebeh . Auf Arabisch Fremde .«
    »Es sind also Araber?«
    »Einige von ihnen. Einige sind die Kinder jüdischer Siedler, die nicht abziehen wollten. Einige sind bloß arme Idioten, die zur falschen Zeit am falschen Ort geboren wurden. «
    »Aber wovon leben sie denn?«
    »Sagen wir mal, sie trinken das Wasser nicht, wenn sie’s sich leisten können. Wie ich dir schon sagte, dies sind die wilden Pionierzeiten genetischer Kriegführung.« Ihre Stimme schlug einen sarkastischeren Ton an als üblich. »Wir achten jetzt mehr auf unsere Umwelt.«
     
    »Osnat?«
    »Ja?«
    »Kannst du mir eine Frage beantworten?«
    »Stell sie, und ich sag es dir.«
    »Wer ist Absalom?«
    »Es ist ein Deckname.« Sie klang so rundheraus objektiv, als ob sie die Ergebnisse einer überprüften wissenschaftlichen Studie zusammenfasste. »Die meisten Leute auf dieser Seite der Grenze glauben, der Mann hinter dem Decknamen war Gavi Schehadeh.«
    »Ein Palästinenser.«
    Sie verschränkte die Arme über ihrer Brust und kauerte sich in die Ecke ihres Sitzes. »Ein Halbpalästinenser. Seine Mutter war Jüdin. Ich kenne nicht die ganze Geschichte. Nur dass er eine Art Kriegsheld war, damals zu der Zeit, als an der Grenze noch echte Soldaten im Einsatz waren, keine Enderbots. Und dann ging er in die KI-Entwicklung. Vielleicht hat er’s auch schon gemacht, bevor der Krieg anfing, ich weiß es nicht. Wie auch immer, er arbeitete gerade an EMET, als

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