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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Stunden wurde Arkady Zeuge, wie Korchow eine Miniatur aus der Safawiden-Dynastie erstand, die das Attentat auf einen Prinzen darstellte, dessen Namen Arkady nach zwei Minuten wieder vergessen hatte; zwei Erstausgaben von David Grossman (»Hast du Das Lächeln des Lammes gelesen? Nein? Solltest du unbedingt nachholen. Eines dieser menschlichen Meisterwerke, in dem man den Atem, das Versprechen des Posthumanismus spüren kann.«); und einen Splitter des Wahren Kreuzes, eingeschlossen in ein
außerordentlich kitschiges byzantinisches Reliquiar aus dem zwölften Jahrhundert. (»Der eigentliche Wert ist die Verpackung, Arkady. Daraus kann man etwas lernen. Vergiss es nicht.«)
    Jedes Mal, wenn sie durch einen Schallvorhang das nächste Verschwenderzimmer betraten und nebeneinander Platz nahmen, umhüllt von einem Kokon künstlicher Stille, während der Händler Korchow das nächste illegale Schmuckstück zur Begutachtung holte, rechnete Arkady damit, dass das A-Klasse-Konstrukt des KnowlesSyndikats das eigentliche Thema zwischen ihnen zur Sprache brachte. Und jedes Mal wurde Arkady aufs Neue enttäuscht.
    Nur zwischen dem dritten und vierten Halt auf der Einkaufstour – als Korchow bereits eine Summe ausgegeben hatte, die ausgereicht hätte, um im RostowSyndikat für ein Jahr Luft, Nahrung und Wasser zu bezahlen – wurde Arkady in dem Gedränge auf die beiden behäbig wirkenden jungen Israelis aufmerksam.
    »Folgen sie uns etwa?«
    »Schau nicht so auffällig hin, Arkady. Das ist peinlich.«
    Er schaute verstohlen zu den beiden jungen Männern hinüber, während sich Korchow vor ihm einen Weg durch die schmale, gepflasterte Straße bahnte. Waren es nur die beiden, oder gab es noch ein Team? Und war er völlig verrückt, weil er meinte, dass das dralle Schulmädchen, das mit federnden Schritten über den gegenüberliegenden Gehsteig ging, dieselbe Person war wie die altmodisch gekleidete Hausfrau, die vor nicht ganz fünf Minuten einen Gemüsekarren an ihm vorbeigezogen hatte?
    »Sie wirken nicht verlegen«, sagte er zu Korchow.
    »Wer hat denn gesagt, dass du sie in Verlegenheit bringst?«
    »Tut mir leid«, begann Arkady – doch dann ging er in Korchows Kielwasser um eine Ecke und stand unversehens dem letzten Gesicht gegenüber, das er auf Erden zu sehen erwartet hatte.

    Das Gesicht starrte von einer haushohen Plakatwand auf ihn herunter. Der Kummer qualvoller Erfahrungen hatte die Augen verfinstert. Die kantigen Kiefer waren zu einem Ausdruck heroischer Entschlossenheit aufeinandergepresst. Die perfekt ausgeglichene Muskulatur der nackten Brust war ein Lobgesang in Fleisch und Blut auf die technische Meisterschaft der AzizSyndikat-Designer.
    Sehen Sie AHMED AZIZ in
DIE ZEIT DER GRAUSAMEN WUNDER
    »Ahmed Aziz? «, flüsterte Arkady fassungslos.
    »Nun ja«, sagte Korchow milde, »Menschen schauen sich auch gern Spinvideofilme an. Allerdings habe ich mir sagen lassen, dass der Schluss immer umgeschnitten wird, bevor man Spinvideos aus den Syndikaten einem UN-Publikum zeigt. Offensichtlich finden Menschen den Selbstmordpakt zweier Geliebter nicht so romantisch wie wir.« Er blinzelte zu dem Plakat hinauf und verschränkte nachdenklich die Arme. »Meinst du nicht, dass unser Ahmed besser aussieht als der Star in den Spinvideos?«
    Die Bedeutung des Possessivpronomens war für Arkady so schwer zu entschlüsseln, dass er einen Moment brauchte, um Korchow zu verstehen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
    Korchow seufzte geduldig. »Ich habe auch seine Nachbesprechung erledigt. Ich hätte es dir gesagt, wenn du mir genug vertraut hättest, um mich zu fragen.«
    »Wie auch immer, er sieht nicht besser aus«, sagte Arkady. »Er ist nur netter. Deshalb hat es den Eindruck, als ob er besser aussieht.«
    Er warf Korchow einen Blick zu und stellte fest, dass er ihn nachsichtig angrinste.
    »Was?«
    »Du bist ein Idiot, Arkady. Aber du bist ein süßer Idiot. Ich sage das in deinem eigenen Interesse. Ich werde nie begreifen,
wie du vier Monate in Arkashas Gesäßtasche überleben konntest.«
     
    Erst beim fünften Halt legte Korchow allmählich seine Karten auf den Tisch. Die Fassade dieses Ladens bestand nur aus einer fensterlosen Tür, die sich hinter einem feuchten Stützpfeiler am Knick einer Gasse verbarg, die so eng war, dass Arkady sich fragte, ob hier je die Sonne schien. Auf dem Messingschild stand »Antiquitäten« in Französisch, Englisch, Hebräisch und Arabisch; aber die Beschriftung war so klein, dass Arkady

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