Lichtjagd
die jeder Katsa des Mossad lernte. Seinem Gesicht hatte er einen distanziert aufmerksamen, überhaupt nicht zu deutenden Ausdruck antrainiert. Die grünen Augen waren kühl und wachsam; ihr Blick ging ständig hin und her durch das Zimmer, schien alles aufzunehmen, aber nie lang auf
etwas gerichtet zu bleiben. Der Junge war Ariks Gegenspieler; und nur ein Anfänger hätte übersehen, dass er ein auf höchstem Niveau ausgebildeter Profi war.
»Wer ist dieser schmucke junge Kerl?«, fragte Cohen. Er hatte das nagende Gefühl, dass er dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte, doch er konnte es keiner seiner gespeicherten Spinvideodatenbanken zuordnen. Was ihm keine Ruhe ließ. »Könnte er einer von Safiks Leuten sein? Safik hatte immer eine Schwäche für hübsche Jungs.« Cohen warf einen Seitenblick auf Didi. »Du übrigens auch.«
»Was Safik angeht, hast du recht«, sagte Didi, »aber nicht so, wie du denkst. Schau genau hin. Klingelt was?«
Cohen sah noch einmal hin, und auf einmal klingelten sämtliche Alarmglocken. Die schlanke, straffe Figur; das intelligente, heitere Gesicht; die außergewöhnlichen Augen.
»Yusuf Safik«, sagte Didi. »Der einzige Sohn von Walid Safik, dem Chef der Abteilung für Spionageabwehr im palästinensischen Sicherheitsdienst.«
»Also hatte Safik tatsächlich ein Auge auf der Auktion«, sagte Li mit grimmiger Befriedigung.
Aber Cohens Gedanken drehten sich nicht um die Auktion. Er dachte über Gavi nach. Wenn dieser Junge Safiks Sohn war, dann war er auch … was? Leilas Großneffe? Das erklärte die Augen. Und die Familienähnlichkeit mit Leila war nicht mehr zu übersehen, wenn man darauf achtete. Er fragte sich, ob Gavi und Leilas Joseph – offensichtlich waren beide Jungen nach einem gemeinsamen Vorfahren benannt worden – wie Yusuf ausgesehen hätten, wenn sie den Krieg überlebt hätten. Und dann dachte er an das andere Leben vor dem Krieg, als sie alle auf Gavis und Leilas Hochzeit getanzt hatten.
Cohens übermenschlich gutes Gedächtnis lieferte ihm ein detailgetreues Bild dieses Tages, so genau und unverblasst wie eine neu gemasterte Spinvideoaufzeichnung. Gavi schlank und attraktiv in seiner Uniform und so schmerzhaft jung,
dass er wie ein kleiner Junge aussah, der Soldat spielte. Leila ganz geschäftsmäßig – und zur unverhohlenen Freude aller bereits sichtlich schwanger. Didi war Gavis befehlshabender Offizier gewesen. Cohen war … nun ja, dasselbe gewesen wie immer. Und Gavi Schehadeh und Walid Safik waren nur zwei weitere strahlende junge Männer gewesen, die etwas bewirken mochten oder auch nicht. Aber es war Leila gewesen – die leidenschaftliche junge Ärztin mit den faszinierenden Augen und den noch faszinierenderen Meinungen –, von der alle glaubten, dass sie die Welt verändern würde.
Nun, die Welt hatte sich tatsächlich verändert. Und Leila war unter den ersten Opfern gewesen. Es war immer noch schwer zu glauben, dass eine so außergewöhnliche Person von etwas so verschwenderisch Unpersönlichem wie einer verirrten Bombe getötet worden war.
Als Cohen aufblickte, bemerkte er, dass Didi ihm aufmerksam ins Gesicht sah. Die Erinnerung an Gavi hing zwischen ihnen in der Luft. Ungestellte Fragen lösten sich von ihnen, stiegen zur Decke empor und wurden von den Blättern des Ventilators zerhackt.
Didi stellte den Monitor aus und ließ sich schwer auf seinen Stuhl niedersinken. Er nahm seine Brille ab, putzte sie mit einem Zipfel seines Hemdes, setzte sie wieder auf und schaute verdrießlich durch sein Büro. Er schien mit dem Ergebnis nicht zufrieden zu sein, als habe er damit gerechnet, dass die Welt durch geputzte Brillengläser besser aussehen würde. Dann wandte er sich mit einem traurigen kleinen Schulterzucken wieder dem Geschäftlichen zu.
Er beschrieb Arkadys äußere Erscheinung in der Maris-Station; wie er sich an das untere Geheimdienstpersonal des Maris-Konsulats gewandt hatte; sein Verschwinden und Wiederauftauchen in Mosches Händen; GolaniTechs Vereinbarung mit Korchow, soweit man sie verstanden hatte; die vorsichtigen, über dunkle Kanäle aufgenommenen Kontakte mit den Kaufinteressenten.
Cohen versuchte nicht einmal, Didis Version der Ereignisse mit seinen Informationen abzugleichen und nach Diskrepanzen zu suchen. Es war leichter, einen Vogel im Flug zu fangen, als Didi Halevy bei einer Lüge zu erwischen. Man vertraute einfach darauf, dass er einem sagte, was man seiner Meinung nach wissen musste. Oder man vertraute ihm
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