Lichtjagd
überhaupt nicht. Dazwischen gab es nichts.
»Es gibt zwei große Fragen«, sagte Didi, als er mit seiner Geschichte am Ende angelangt war. »Erstens: Was hat Arkady anzubieten? Zweitens: Warum sollten wir uns dafür interessieren?«
»Hast du meinen Bericht gelesen?«, fragte Cohen zweifelnd.
»Ja, ja. Und ich bin mir sicher, dass du ihn für völlig verständlich gehalten hast. Aber ich bin nicht Gavi. Und selbst wenn, müsste ich es immer noch in Begriffen formulieren, die der Premierminister verstehen kann.«
»Sind so hohe Stellen an dem Fall interessiert?«
»Dies ist ein Land mit einer Bevölkerung von einer Million, und die Einwohnerzahl sinkt weiter. Hier dringt alles zu den höchsten Stellen durch.«
»Na gut«, sagte Cohen. »Reden wir erst einmal über den Infektionsüberträger der sogenannten Waffe. Es ist ein Retrovirus und, soweit ich sehen kann, ein relativ unkompliziertes. Die Frage ist also nicht, was das Virus ist. Die eigentliche Frage ist: welche transgene Nutzlast fügt es in die Zellen des Zielorganismus ein?«
Cohen machte eine Pause, um seine Gedanken zu sammeln – was gleichermaßen schwierig wie notwendig war, denn er und das runde halbe Dutzend seiner aggregierten Emergenten KIs, die an dem Problem gearbeitet hatten, waren nicht einmal annähernd zu einer Übereinkunft gekommen, worin die Nutzlast von Arkadys mysteriösem Virus bestand.
»Lass mich raten«, sagte Didi mit ironischem Unterton. »Du hast so etwas noch nie gesehen.«
»Im Gegenteil. Es ist genauso wie etwas, das ich schon einmal gesehen habe. Oder besser etwas, das Hy Cohen gesehen und mit dem er ein bisschen herumgespielt hat, bevor er mich erfand. Hast du schon einmal von einer Turing-Suppe gehört?«
»Ich koche nicht.«
»Ach Gott, wie lustig. Die Turing-Suppe ist eine Idee, die an der Wende zum 21. Jahrhundert entstanden ist, ein Kind der Netzwerkära … so wie ich. Damals betrachteten die Leute das Gehirn als ein Netzwerk. So wie die Denker der Aufklärung das Gehirn als ein Uhrwerk betrachteten. Oder die Zeitgenossen Darwins als eine Art Dampfmaschine. Oder so wie wir das Gehirn als ein Spinphänomen ansehen. Einige meiner Assoziierten und ich arbeiten gerade sogar an einem Artikel darüber … na gut, wie auch immer. Die Turing-Suppe war das Geistesprodukt eines Typen namens Walter Fontana. Derselbe Walter Fontana, der AlChemy erfand, auch etwas prosaischer als Algorithmische Chemie bekannt. Eines muss man dem Kerl lassen, er hatte einen Sinn für Namen. Außerdem wollte es ein glücklicher Umstand, dass er am Ende seiner Karriere am MIT arbeitete und einen glänzenden jungen Doktoranden aus Frankreich unter seine Fittiche bekam, einen theoretischen Computerwissenschaftler namens Hyacinthe Cohen. Weshalb ich vermutlich die einzige lebende Person bin, die sich noch an das Konzept der Turing-Suppe erinnert.
Die Idee hinter der Turing-Suppe bestand darin, die Evolution eines Algorithmus als Modell für die Evolution organischen Lebens zu betrachten. Eine Turing-Maschine ist ein universeller Computer – um genau zu sein: der paradigmatische universelle Computer. Er verfügt über einen Lesekopf, der jedes Band ›lesen‹ kann, das an ihm vorbei geführt wird, außerdem über einen Ausführmechanismus, der jede Anweisung ausführt, die der Lesekopf liest. Turing konnte es in den Fünfzigerjahren noch nicht wissen, aber im Grund beschrieb
er hier die Funktionsweise der RNS: ein ›Lese‹mechanismus, der sich selbst in die aufgewickelten DNS-Stränge einfädelt, um seine gefalteten Proteinsequenzen zu reproduzieren. Fontana hatte die Idee, einen Haufen molekularer Turing-Maschinen zusammenzuwerfen, sie gegenseitig ihre Programme ›lesen‹ zu lassen und zu beobachten, ob sie aus den Komponenten der vorliegenden neue Programme zusammensetzen können. Es funktionierte nicht, hauptsächlich weil Turing-Maschinen ein Problem haben, das RNS und DNS nicht haben oder das sie vor langer Zeit lösen konnten: sie hängen sich auf, so wie jeder bislang entwickelte Computer. Und das ist auch der Grund, warum die Maschinen in einer Turing-Suppe sich einfach gegenseitig blockieren, gegenseitig ihre Bänder lesen, in eine positive Rückkopplungsschleife geraten und hängen bleiben.
Das war also die Turing-Suppe: das falsche Werkzeug für die richtige Aufgabe. Fontana verlegte sich auf das Lambda-Kalkül und AlChemy. Und alle anderen hakten die Turing-Suppe ab als eine Idee, deren Zeit gekommen und gegangen war. Aber
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