Lichtjagd
mich zum Abendessen zu Hause besuchen. Meine Töchter sind mit ihren Jom-Kippur-Visa hier, und Zillah freut sich immer, dich zu sehen. Und natürlich«, mit einem höflichen Nicken in Lis Richtung, »gilt die Einladung auch für …?«
»Wir sind uns schon einmal über den Weg gelaufen«, sagte Li. »An der Militärakademie auf Alba. Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht daran, aber ich habe in Ihrem Gastsemester an einem Seminar teilgenommen.«
»Du liebe Güte. Ich sollte mich schon daran erinnern, aber ich lerne so viele Leute kennen. Und ich habe ein schlechtes Gedächtnis für Gesichter.«
Cohen rollte mit den Augen und räusperte sich.
»Tut mir leid«, sagte Didi verlegen. »Es ist ziemlich staubig hier drin. Du weißt schon, das ganze Papier. Du würdest nicht glauben, welche Probleme wir mit Allergien haben. Darf ich dir meine Augentropfen leihen?«
Didis Büro war ein handfester Beweis für das alte Mossad-Diktum: je kleiner das Büro, desto größer die Reputation. Das Zimmer schien in früheren Zeiten einmal als Besenkammer gedient zu haben. Nur die zeitlose Ausstattung – der Schreibtisch mit Glasplatte, der Aktenvernichter, das Festnetztelefon, die staubig grünen Reihen verschlossener Aktenschränke – ließen die Geheimnisse erahnen, die diese Wände gesehen hatten.
Außerdem gab der Raum nichts über Didi persönlich preis. Es gab keine Familienfotos, keine Nippsachen, keine Andenken. Die einzige persönliche Note war ein verblasster Computerausdruck, der an die Wand über Didis Kopf geheftet war, wo Generationen von jungen Feldagenten ihn gelesen hatten, während sie ihre Anweisungen erhielten, darauf warteten, dass Didi ein Telefonat mit seiner Frau oder seinen Töchtern beendete oder sich mit einem Gähnen durch administrative Neuigkeiten kämpfte. Die Liste, von der Cohen zufällig wusste, dass sie dort seit dem letzten Kurs der Katsas
hing, die Didi durchs Feldtraining geführt hatte, enthielt fünf Punkte:
Die Chancen, dass ein Agent in einem Loch im Boden endet, ist direkt proportional zur Anzahl der Leute, die ihn aus einem Loch im Boden kennen.
Am besten sagt man nie etwas.
Wenn du wissen willst, was eine Information bedeutet, schau dir an, wo sie gewesen ist.
Kleine Waffen machen mehr Ärger als sie wert sind.
Jeder hat seine dumme Blondine und seinen gemieteten Ferrari.
Als sie das Büro betraten, erschien scheinbar aus dem Nichts ein junger Mann, um sie ein zweites Mal zu filzen. Cohen blieb stehen und ließ sich geduldig durchsuchen, Li ebenso; aber während sich Lis Leibesvisitation auf einen flüchtigen Blick auf die Körperstellen beschränkte, wo man eine Waffe verstecken konnte, verlief Cohens Durchsuchung etwas gründlicher.
Der Junge hatte die pergamentartige Haut und die glänzenden Locken eines Jeschiwa-Studenten. Er trug ebenso wie Didi eine billige Brille, deren Gläser dick genug waren, um die langwimprigen Schlafzimmeraugen dahinter zu verdecken. Was aber nichts daran änderte, dass der Körper unter dem zerknitterten Anzug ein Soldatenkörper war und die schlaftrunkenen Augen mit der berechnenden Selbstsicherheit eines professionellen Killers in die Welt hinausschauten.
Nachdem er sie für sauber erklärt hatte, eskortierte der junge Mann sie in Didis inneres Heiligtum und machte eine bedeutungsvolle Pause.
»Danke, Arik«, sagte Didi. Und wartete.
Der Junge brachte mit einem Seufzen sein Missfallen über den Verstoß gegen die Sicherheitsvorkehrungen zum Ausdruck, zog sich aus dem Büro zurück und ließ die drei allein.
»Wir haben guten Nachwuchs«, sagte Didi zu Cohen. »Es ist schön zu sehen, dass die Kinder ihre Arbeit ernst nehmen. «
»Nun, ich nehme an, du kannst dir die besten aussuchen. «
»Findest du, dass ein Junge wie Arik in einem Rattenloch versauern sollte? Er spricht fünf Sprachen. Arabisch wie ein Einheimischer.«
Kein Zweifel, dass er fünf Sprachen beherrschte. Er sah auch wie eine kleinere, blassere, weniger attraktive und entschieden weniger gutmütige Kopie von Gavi Schehadeh aus. Aber Cohen fragte besser nicht, ob das der Grund für Didis offensichtliche Zuneigung sein könnte.
Didi plauderte vor sich hin, erwähnte gemeinsame Freunde. Cohen ließ den Smalltalk ohne viel Nachdenken über sich ergehen – was er sich vor langer Zeit angewöhnt hatte, wenn Menschen so zu reden anfingen – und konzentrierte sich auf die Körpersprache. Er hatte sich lange Zeit gefragt, was Catherine Li und Didi Halevy voneinander halten
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