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Lichtjahre

Lichtjahre

Titel: Lichtjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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machte - dieses Lächeln, diese unbeschwerte Art.
    Sie waren wie Schwestern, die gleichen langen Glieder, der gleiche Humor. Es war für beide leicht, sich in die Lage der anderen zu versetzen.
    »Ich würde gern nach Europa fahren«, sagte Nedra.
    »War das nicht wunderbar?«
    »Du warst doch mal in Italien.«
    »Ich glaub, ja«, sagte Eve.
    »Wie war das?«
    Ihre Worte trieben in den späten Nachmittag hinein. Sie saßen auf dem abgewetzten kleinen Sofa. Anthony war bei einem Freund. Seine Schulbücher lagen auf dem Tisch, sein Fahrrad stand in der Küche. Nedra fühlte sich in der Unordnung der Wohnung und dem kleinen Garten wohl; selbst hätte sie nie so leben können.
    »Ich war mit Arnaud da«, sagte Eve.
    »Wo habt ihr gewohnt? Ich wette, Rom ist genau das Richtige für Arnaud.«
    »Er liebt es. Weißt du, er spricht Italienisch, redet mit jedem. Endlose Gespräche.«
    »Und was hast du gemacht?«
    »Gewöhnlich hab ich nichts weiter getan als gegessen. Weißt du, man sitzt stundenlang in diesen Restaurants. Er liest die Karte, er liest alles, was draufsteht. Dann unterhält er sich mit dem Kellner darüber, er sieht sich um, was die Leute an den anderen Tischen essen. Wenn du in Eile bist - vergiß es. Er sagt, nein, nein, warte einen Moment, ich will noch schnell wissen, was er über die... die fagioli sagt.«
    »Die fagioli ...«
    »Ja, was sind noch gleich fagioli 7 . Ich weiß nicht mehr. Wir haben sie dauernd gegessen. Er mag bollito misto, er mag baccala. Wir haben gegessen, wir haben uns Kirchen angesehen. Er kennt sich in Italien aus.«
    »Ich würde gerne mit Arnaud hinfahren.«
    »Er mag kleine Hotels. Ich meine, winzige. Er kennt sie alle. Ich hab da 'ne Menge gelernt. Es gibt zum Beispiel bestimm te Arten von Ungeziefer, die man ruhig auf seinem Körper leben lassen kann.«
    »Wie bitte?«
    »Also, ich hab das nicht gemacht, aber er hat es behauptet. Er wird nie heiraten«, sagte Eve.
    »Warum sagst du das?«
    »Ich weiß es. Er ist selbstsüchtig, aber das ist es nicht. Er hat keine Angst davor, allein zu sein.«
    »Ja, darum geht's wohl, nicht?«
    »Ja, ich hab Angst davor«, sagte Eve.
    »Nein, hast du nicht.«
    »Ich hab einen absoluten Horror davor. Ich glaube, es gibt nichts, wovor ich mehr Angst habe. Er weiß, wie man damit umgeht. Er mag Menschen. Er ißt gerne, geht gerne ins Theater.«
    »Aber letztlich ist er allein. Er will allein sein.«
    »Also, ich weiß nicht. Es macht ihm nichts aus. Er ist zufrieden, er weiß, daß wir an ihn denken.« Eve war phantastisch; sagte er zumindest. Sie war in jeder Hinsicht großzügig. Sie schenkte einem Bücher, Kleider, Freunde, ihr fester, ausschweifender Körper, ihr sinnlicher Mund waren eine Zierde für jeden Raum. Sie war die Art von Frau, die man am Arm eines Boxchampions findet, die Art, die nicht verheiratet ist, die eines Morgens mit einem blauen Auge bei einem auftaucht, sagte Arnaud.
    Sie dachten an ihn.
    »Ja«, stimmte Nedra zu, »das ist ein Problem. Wie geht es ihm?«
    »Nächste Woche hat er seinen sechsmonatigen Geburtstag. Ich meine, seinen halbjährigen.«
    »Feiert ihr den?«
    »Ich hab ihm ein paar Taschentücher geschickt«, sagte Eve.
    »Er mag eine bestimmte Sorte großer Arbeitertaschentücher, und ich hab welche gefunden. Ich weiß nicht. Manchmal verschwindet er für eine oder zwei Wochen einfach von der Bildfläche. Manchmal fährt er sogar weg. Ich wollte, ich war ein Mann.«

7
    Weihnachten. Tom, der alte Hausmeister, war wie immer am Trinken. Er hatte ein hageres Gesicht und Ohrenschmerzen. Ein ehrlicher Mann, der im Keller hinter den Sicherungskästen seine Flaschen versteckte. Er wich zurück, als Viri versuchte, ihm einen Umschlag mit etwas Geld zu geben.
    »Was ist das?« rief er.
    »Nein, nein.«
    »Nur 'ne Kleinigkeit für Weihnachten.«
    »Oh, nein.« Er war unrasiert. »Nein, nicht für mich. Nein, nein. « Er schien den Tränen nahe.
    Die Zeichner beugten sich in Erwartung ihres Weihnachtsgeldes über die Tische. Die Geschäfte glitzerten. Es wurde vor fünf Uhr abends dunkel.
    Viri stellte den Wagen im absoluten Halteverbot ab und lief die Stufen zum Theater hinauf, um Karten für die Nuß' knacker-Suite zu kaufen. Es war ein Ritual; sie sahen sie jedes Jahr. Franca nahm in Balanchines Schule Ballettunterricht. Sie besaß die Ruhe und Anmut, um Tänzerin zu werden, aber nicht die Willensstärke. Sie war die Jüngste in der Klasse, die Beine der Mädchen hoben sich alle gleichzeitig zu trockenen Befehlen,

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