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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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struppigen Steppengaul, den blutigen Krummsäbel in der Hand, und hunderttausend Reiter folgen Ihnen wie ein Mann, und auf Ihren Befehl hin verbrennen ganze Städte, so daß Sie den Geruch des verkohlenden Menschenfleisches riechen können … Was halten Sie von Jack the Ripper, Sie als Dunkelmann im Nebellondon, und ganz gewiß wird eine arme kleine Hure an Ihnen vorbeikommen … Vielleicht aber interessieren Sie sich mehr für das All, die Sterne, den unendlichen Weltraum? Ich schenke Ihnen ein Raumschiff, eine ganze Stahlflotte, ein galaxienweites Imperium, und dort drüben, an der toten schwarzen Grenze, am Abgrund zwischen den Milchstraßensystemen, lauert bereits der Feind und wartet auf Ihre Laserkanonen, Ihre Nuklearraketen und Novabomben, und Sie werden in der Zentrale Ihres Flaggschiffes stehen, der Held von Billiarden menschlichen und nicht-menschlichen Wesen, und Sie werden die große, die entscheidende Schlacht leiten, während Sie zur gleichen Zeit die Prinzessin des Dunkelplaneten auf dem Feuerleitpult deflorieren …
    Ich biete Ihnen die Wirklichkeit, dachte Andy, der jetzt mehr als betrunken war, hatte er doch die Flasche Whisky aus dem Fach hinter der Wandverkleidung bis auf einen Fingerbreit geleert. Sie werden es fühlen, dachte er. Sie werden es erleben, erklärte Andy seinem unsichtbaren Millionenpublikum. Sie werden den Schweiß riechen, den Ihr Feind verströmt, wenn Sie ihm das Schwert bis zum Heft in die Brust stoßen. Sie werden die Küsse jeder schönen Frau schmecken, und Sie werden genug schöne Frauen haben, Frauen, die so real sein werden wie jene, die jetzt neben Ihnen sitzt …
    Ein Sensi-Schöpfer, dachte Andy Beh, das bin ich, ein supersensitiver Gott, der Mann, der mit der Wirklichkeit hausieren geht. Für jeden Geschmack, jeden Geldbeutel. Individuell oder als Massenware.
    Er rülpste und ignorierte den Ekelblick der Krankenschwester. Eugen Friedrich Langedanz starrte ihn griesgrämig und unduldsam an, pochte mit dem Stock auf den Teppichboden, schnalzte mit der kleingerunzelten Greisenzunge, und fast ahnte Andy in diesem Moment, wie er damals gewesen war, oben im Büroturm im Zentrum von Frankfurt am Main residierend, vierhundert Meter über den Straßen und Menschen, und höher als die Götter des Olymp.
    Aber man hatte ihn gestürzt.
    Er ist tief gefallen, dachte Andy. Außerdem ist er alt und impotent. Und die einzige Hure, die ihm noch bleibt, ist der Sensiver …
    Andy empfand plötzlich Ekel vor diesem mehr und mehr zerfallenden Wrack, und das nicht, weil Eugen noch immer nach Sex dürstete, nach zahllosen Orgasmen und unermüdlicher Manneskraft, denn dies war menschlich … Das Schlimmste, sagte sich Andy, das Schlimmste ist: Wenn er nicht alt und krank wäre … nicht gebrechlich und gichtig und impotent … er würde es sich alles in dieser Welt besorgen, mit seinem Geld, seinem verfluchten Geld …
    »Also!« schnappte Eugen Freidrich Langedanz. »Worauf warten Sie?«
    Andy setzte sich unter die Sensi-Glocke, schaltete die Kontrollen ein, und der Gummiring saugte sich an seiner Stirn fest, und er spürte kalt die Elektroden, die sich an seine Schädeldecke preßten, wie Blutegel einer mechanoiden Ökologie.
    »Haben Sie …«, begann er und bemerkte, daß er lallte, sammelte sich, versuchte es erneut. »Haben Sie besondere Wünsche?«
    Die Krankenschwester wandte sich ab, trat ans Fenster, starrte schweigend hinaus. Ihr paßt es nicht, erkannte Andy, aber auch sie wird bezahlt, gut bezahlt, und darum schweigt sie jetzt.
    »So etwas wie gestern …« krächzte Eugen. »Aber feuriger, begreifen Sie das? Mit mehr Pfeffer. Mehr Schreie, eh?«
    Andy hätte es sich denken können.
    Lang genug arbeitete er schon für den Mann, seit dem Ende seiner Gossenjahre, der Dunkelheit, die dem Fall aus den Sphären des Starkultes gefolgt war. Wie gestern … Negerkinder, und Eugen ein strammer blonder Halbgott mit Lederstiefeln, die bis zu den Oberschenkeln reichten, einem Gehänge wie ein prämierter Zuchtstier, und in der Hand die Bullenpeitsche, während die kleinen nackten Mädchen kreischten und bettelten und Eugen natürlich kein Erbarmen kannte …
    Andy Beh legte den Schalter um.
    Warum will er alles live erleben? fragte er sich. Warum wartet er nicht, bis die Aufnahme gespeichert ist und spult sie erst dann ab? Es macht mich nervös. Ich bin das nicht gewohnt. Glaubt er, für sein Geld alles kaufen zu können? Alles? Alles?
    Doch da brach schon die Welt auseinander, lösten

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