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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Zerrgiebels kleine, drohende Raubvogelaugen in den Schatten, und er hatte schreckliche Angst.
    Ein Stoß traf die Hintertür. Sie fiel zu.
    Katrin nickte befriedigt. »Das wird ihnen eine Lehre sein«, sagte sie. »Am Stadtrand hätten sie bleiben sollen, die Sobrowskys. Bei den anderen Familien. Den anderen Bälgern. Sie haben es nicht anders gewollt. Sie haben es verdient.« Sie drückte seine Schulter. »Komm jetzt. Komm.«
    Wie eine Marionette folgte er ihr in die Liftkabine. Summend schloß sich die Tür. Sie fuhren nach oben.
    »Aber warum?« fragte er. »Großer Gott, warum? Es war doch nur ein Kind!«
    Katrin funkelte ihn an.
    »Nur ein Kind!« äffte sie ihn nach. »Nur ein Kind! Begreifst du denn nie? Verstehst du denn überhaupt nichts? Ich habe dieses Kind beobachtet und ich habe Haß in diesen Kinderaugen gesehen. Es hat mich gehaßt, hörst du? Genau wie es dich gehaßt hat, dich und jeden anderen in diesem Haus. Heute ist es nur ein Kind, ja; aber morgen? Übermorgen? Wenn es herangewachsen ist?« Sie lehnte sich an die kahle Wand. »Außerdem – es ist nicht unsere Sache. Es ist allein die Schuld der Sobrowskys. Es war verrückt von ihnen, mit einem Kind in diese Straße zu ziehen. In eine Seniorenstraße. Kinder haben hier nichts zu suchen. Was soll ein Kind unter all diesen alten Menschen? Hassen lernen? Damit aus ihm eines Tages ein verdammter Juniac wird?«
    Katrin kniff die Augen zusammen.
    »Es ist ihre Schuld«, sagte sie. »Die Sobrowskys hätten nicht in unsere Straße ziehen sollen. Mit einem Kind.
    Wo sie doch selber noch so jung sind. Frau Sobrowsky ist nicht einmal dreißig. Nicht einmal dreißig!«
    Ja, dachte Jaumann. Es stimmt. Katrin hat recht. Es ist ihre eigene Schuld.
    Der Aufzug hielt. Sie stiegen aus, gingen durch den leeren Korridor. Katrin blieb stehen. »Da ist jemand«, zischte sie. »Hinter der Biegung, neben unserer Tür. Ein Mann.«
    Jaumann schob sich an ihr vorbei. Langsam ging er weiter. Ein Schatten fiel an der Ecke über den Boden. Jemand versteckte sich dort. Jaumann schluckte nervös. Vielleicht ein Nachbar, der zu den Panthern gehörte. Vielleicht ließ Zerrgiebel sie überwachen. Vielleicht mißtraute man ihnen, weil sie noch nicht das Rentenalter erreicht hatten, oder wegen dem, was gerade auf der Straße passiert war.
    Unsinn, dachte Jaumann. Katrin und ich sind beide fünfundvierzig. Zum Teufel, niemand kann uns für Juniacs halten. Noch fünf Jahre, und wir sind ebenfalls Rentner.
    Der Schatten bewegte sich. Ein Mann äugte verstohlen um die Ecke. Ein bleiches, glattes Gesicht. Der Mann seufzte und sprang aus seinem Versteck.
    »Gott sei Dank!« stieß der Mann flüsternd hervor. »Gott sei Dank, daß Sie es sind, Herr Jaumann!«
    Sobrowsky! durchfuhr es Jaumann. Es ist Sobrowsky.
    »Sie müssen mir helfen«, flüsterte Sobrowsky. Er schwitzte. Die Hände zitterten. Er hatte Angst. »Hören Sie? Sie müssen mir helfen. Mein Gott, mein Gott, die Senioren … Sie sind in unserer Wohnung! Meine Frau, mein Kind …!«
    Jaumann war wie gelähmt. Wenn jetzt einer der Alten auftauchte und sah, daß er sich mit Sobrowsky unterhielt! Schritte klapperten hinter seinem Rücken. Katrin.
    »Sind Sie verrückt geworden?« zischte sie Sobrowsky zu. »Was wollen Sie von uns? Was wollen Sie? Wissen Sie, was passiert, wenn man uns zusammen sieht? Gehen Sie! Warum gehen Sie nicht endlich?«
    »Sie müssen mir helfen«, sagte der junge Mann. Er konnte nicht älter als zweiunddreißig, dreiunddreißig sein. »Ich kann nicht in meine Wohnung. Die Panther sind dort. Sie suchen mich. Sie wollen mich umbringen; umbringen, verstehen Sie? Mein Gott«, sagte er wieder. »Sandra! Melina! Meine Frau, mein Kind!«
    Mit verkniffenem Mund hastete Katrin zur Tür und schob die Magnetkarte ins Schloß. Die Tür sprang auf. »Verschwinden Sie endlich«, sagte Katrin zu Sobrowsky. »Wir wollen mit der Sache nichts zu tun haben. Es ist Ihre Schuld! Warum sind Sie in diese Straße gezogen? Warum sind Sie nicht am Stadtrand geblieben? Sie wußten doch, was in Berlin passiert ist. Sie wußten es!«
    Sie trat über die Schwelle. Jaumann machte einen zögernden Schritt und verharrte neben der Tür. Er sah Sobrowsky an. Am Ende des Korridors summte es, und er drehte den Kopf. Der Fahrstuhl. Er fuhr nach unten.
    »Helfen Sie mir!« bat Sobrowsky mit erstickter Stimme. »Um Gottes willen, helfen Sie mir! Die Panther suchen mich. Sie kommen. Sie werden mich umbringen. Zerrgiebel und dieser Meyer-Lansky.

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