Lichtraum: Roman (German Edition)
seine Augen wie die einer zornigen Schlange, der man gerade auf den Schwanz getreten war.
»Lucas«, grüßte Kenley, kam auf ihn zu und schüttelte herzlich seine Hand.
Wie Corso vertrat auch Kenley eine gemäßigte Einstellung im Senat. Hilgendorf, der alles andere als moderat war, nickte nur. Bei diesem Zweikampf fungierte Kenley als Corsos Sekundant, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Kampfrings; im Wesentlichen bestand die Aufgabe eines Sekundanten darin, sich zu überzeugen, dass die andere Seite nicht betrog. Hilgendorf spielte diese Rolle für Corsos Gegner.
»Senator Jarrett hat mich beauftragt, ein Angebot zu machen«, begann Hilgendorf, sich Corso nähernd. »Er möchte wissen, ob Sie bereit wären, über einen nicht tödlichen Ausgang zu verhandeln.«
»Das soll heißen, dass Sie bereit sind, mich am Leben zu lassen, falls ich mich kampflos ergebe und automatisch auf meinen Sitz im Senat und meine Stimme verzichte.« Corso lächelte grimmig und schüttelte den Kopf. »Bitte richten Sie Senator Jarret aus, wenn ihm an einem ›nicht tödlichen Ergebnis‹ gelegen wäre, hätte er mich gar nicht erst herausfordern dürfen.«
Hilgendorf war nicht gerade ein geduldiger Mensch. »Senator Jarret ist ein Kriegsveteran und anerkannter Staatsheld. Vielleicht sollten Sie sich etwas Zeit zum Nachdenken nehmen, ehe Sie voreilige Entscheidungen treffen, Senator. Dieser Tage stehen Sie auf ziemlich dünnem Eis.«
»Wenn Sie kein ernsthaftes Angebot zu machen haben«, mischte sich Kenley ein, »sollten Sie lieber schweigen, Mr. Hilgendorf.«
Corso hob eine Hand. »Schon gut, Marcus, das gehört mit zum Protokoll. Mr. Hilgendorf erfüllt lediglich seine formelle
Pflicht, nicht wahr?«, fragte er, Hilgendorf fest in die Augen blickend.
»Wir gewähren Ihnen die Chance, von dem Duell zurückzutreten, ehe Sie eine Verletzung davontragen«, beharrte Hilgendorf. »Schließlich verfügte keiner Ihrer früheren Kontrahenten über die … einzigartigen Fähigkeiten, die sowohl Sie als auch Senator Jarrett besitzen.«
Corso runzelte die Stirn, momentan aus dem Konzept gebracht.
»Nun, dann erweise ich Mr. Jarrett dieselbe Höflichkeit«, erwiderte er, wobei er sich nicht sicher war, was Hilgendorf mit seiner letzten Bemerkung gemeint hatte. »Wenn er seinen Handschuh in den Ring wirft, lasse ich ihn am Leben. Ansonsten können Sie ihm ausrichten, dass ich mich auf den Kampf mit ihm freue.«
Hinter der Maske schienen Hilgendorfs Gesichtszüge zu erstarren. »Also gut. Ich werde ihm ihre Entscheidung mitteilen.«
»Sie können den Truck nehmen, Mr. Hilgendorf«, sagte Kenley. »Wir gehen zu Fuß zum Treffpunkt.« Kenley sah Corso fragend an, der zustimmend nickte.
Ohne ein weiteres Wort machte Hilgendorf kehrt und kletterte in den Truck zurück. Einen Moment später griffen die Raupen des Fahrzeugs in den Gesteinsschutt, und das Vehikel quälte sich den Weg zurück, den es gekommen war.
»Die Fahrt hierher war wohl nicht sehr angenehm«, meinte Corso.
»Wie kommen Sie darauf?«, knurrte Kenley. »Hören Sie … ganz im Ernst, Jarret ist anders als jeder Gegner, mit dem Sie es bis jetzt zu tun hatten. Als Kämpfer genießt er einen ausgezeichneten Ruf. Aber das wissen Sie sicher, oder?«
»Und ich gelte im Ring wohl als Niete. Wollen Sie das damit sagen?«
Kenley setzte zu einer Erwiderung an, schien sich jedoch anders
zu besinnen. Mit dem Kinn deutete er auf den frostharten Strand. »Lust auf einen kleinen Spaziergang?«
Corso schaute zum Zelt hinüber, in dem Breisch sich immer noch ausruhte. »Da drin ist es wärmer.«
»Bitte«, drängte Kenley. »Nehmen Sie Rücksicht auf die krankhafte Paranoia eines alten Mannes.«
Corso zuckte mit den Schultern, und sie schlenderten an den Wellen entlang, die an den Strand schlugen. Weiter weg war man gerade dabei, neben dem Kampfring ein Scheinwerfergerüst aufzustellen, und bald durchschnitten gleißend helle Strahlen den gefrierenden Nebel, der sich tiefer im Binnenland eingenistet hatte. Die Stimmen der Arbeiter, die sich abhetzten, um alles rechtzeitig fertigzustellen, hallten in der stillen Luft zu ihnen herüber.
Nach zirka einer Minute blieb Kenley stehen, drehte sich um und sah Corso an. »Gerüchten zufolge planen die Streitkräfte der Legislatur irgendwas am Technologiehort von Tierra.«
»Ich schätze, schlechte Nachrichten verbreiten sich besonders schnell«, entgegnete Corso, den plötzlich ein Gefühl der Erschöpfung überkam. »Okay, an diesen
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