Lichtschwester - 8
Wunderschön war er anzusehen, der Falke, und prächtig, wie er da mit gebreiteten Schwingen über den Wolken aus Milchglas schwebte. Cathon lächelte matt. Er würde ja noch viel schöner, wenn erst die Farben herauskämen !
Nun könnte sie sich Ruhe gönnen, denn bis zum Fest hatte sie noch einen ganzen Tag Zeit. Und ihr ging es ja wirklich nicht gut: Die Knochen schmerzten, die Augen brannten ihr, und aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen. Sie zog ihr Cape fester um sich.
Aber es half nichts. Diese Kälte kam von innen. Ja, sie brauchte dringend die feuergleiche Substanz, die ihr die Königin mit List entwendet hatte. Sie brauchte ihre Essenz. Cathon wankte zu der schmalen Pritsche, ließ sich auf den harten Strohsack fallen und zog sich ihre alte Wolldecke bis übers Kinn. Ihr war ja so kalt, und ihr wurde immer kälter. Aber heiß brannte der von der rauhen Decke gestreifte Striemen auf ihrer Wange, und sie befühlte behutsam das schändliche Mal. Sie kämpfte gegen die fürchterliche Müdigkeit an, die sie erneut überkam und ihr immer wieder die Augen zufallen ließ. Würde sie durchhalten können, um Isra das Falkenbild zu überreichen? Aber mit dem Schmerz in ihrer Wange flammten auch ihr Zorn und ihre Entschlossenheit von neuem auf, womit auch die Frage beantwortet war …
Allerlei Gedanken und Erinnerungsfetzen gingen ihr durch den Sinn — bruchstückhafte Erinnerungen an längst vergessene Länder und an Menschen, die sie nie mehr wieder gesehen hatte, an angenehme und weniger angenehme Geschehnisse und Dinge … Die Augen fielen ihr zu, und ein Gefühl der Wärme überflutete sie.
Da pochte es an die Werkstattür.
Cathon wälzte sich zur Seite und versuchte, das störende Geräusch zu überhören. Aber es riß sie unbarmherzig aus den warmen Tiefen ihres Schlafs.
Das Klopfen wurde lauter und ungeduldig.
Nun schlug Cathon seufzend die Augen auf und erhob sich unwillig von ihrem Lager. Schlaftrunken warf sie sich ihre Decke über und stolperte zur Tür und öffnete. Dabei war ihr, als ob diese Tür um vieles schwerer sei als noch am Abend zuvor. »Hast du das Bild?« fragte die Königin ohne ein Wort des Grußes und drängte sich an ihr vorbei in die Werkstatt. »Ja, es ist fertig«, murmelte Cathon, zog sich die Wolldecke fest um die Schultern und stieß ihre Tür zu. »Hast du mein Fläschchen mit?«
»Zuerst das Bild, Hexe«, sagte Isra und sah ungeduldig von Cathon zu der mit vielen Glasbildern übersäten Werkbank und dann wieder zu Cathon. »Ich sehe da aber kein Blumenbild.« »Wie soll ich denn wissen, ob du Wort hältst und mir mein Elixier wiedergibst?«
Die Königin nahm lächelnd das Fläschchen aus der Gürteltasche und hielt es ihr vor die Nase. »Ich dachte mir schon, daß du das gute Stück erst hervorholst, wenn du das Feuer hast. Aber vergiß nicht … ich kann es mir wieder holen, wenn es sein muß.« Nun reichte sie ihr, wenn auch widerwillig, das blaue Fläschchen. »Und jetzt, wo ist mein Glasbild?«
Cathon hob das Fläschchen an ihre Brust und prüfte mit magischen Sinnen, ob die Königin es mit einem Zauber belegt hätte. »Da auf dem Tisch, das Falkenbild da«, sagte sie rasch und entkorkte die offenbar unverhexte Flasche. Und die Substanz darin quoll sofort heraus, stieg empor und verschwand in ihrer Brust. Eine wohlige Wärme breitete sich jetzt über ihren Körper aus, und ihre Kraft kehrte im Nu wieder.
»Was soll denn das, Hexe?! Ich hatte mir doch ein Bild gewünscht, das ich in meinen Gott weiß wie vielen restlichen Jahren mit Lust und Freude betrachten kann. Und Falken kann ich nicht ausstehen«, schimpfte Isra und sah sie böse an.
»Aber der König vermutlich, und das soll ja ein Geschenk für ihn sein. Oder sollte es ihm etwa nicht gefallen?« versetzte Cathon, ging zur Werkbank, nahm ihr Bild und hielt es der Königin hin.
»Gib schon her«, rief die und riß es ihr aus den Händen - aber da spürte sie schon, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hörte Cathon noch murmeln: »Wie gesagt, Isra… das ist kein Geschenk für diesen König …« Aber ihre Gedanken waren woanders. Denn sie fühlte, daß aus ihrem ganzen Leib, von den entlegensten, tiefsten Stellen, dünne Fäden eines Etwas gezogen wurden und daß ihr mit diesem zarten Etwas alle Kraft schwand und eine Leere an deren Stelle trat. Ihre Gedanken verwirrten, verflüchtigten sich, ihre Augen brannten, und in ihrem Schädel hallten Cathons Worte wider. Sie versuchte, von der Hexe zu
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