Lichtschwester - 8
Lythande
hatte, setzte sich an einen Tisch in einer ruhigeren Ecke und bat
den Wirt, der ihre Bestellung aufnahm, dem Barden eine Einla-
dung zu einem Humpen Bier zu überbringen. Oh, sie wußte gut,
daß der Zauberer in der Öffentlichkeit weder speiste noch trank,
aber sie wußte auch, daß er gern und mit allen Anzeichen stillen
Genießens stundenlang vor einem vollen Becher saß.
Und tatsächlich, Lythande nahm ihre Einladung an und kam nach
der nächsten Nummer zu ihr in ihre stille Ecke. »Ach, Eirthe«,
sagte er zur Begrüßung, so als ob sie sich tags zuvor - und nicht
fast sechs Jahre zuvor - zum letztenmal gesehen hätten. »Und
Alnath«, ergänzte er, da die Salamanderin auf die Bank sprang und
zu ihm huschte; dieser Magier war einer der wenigen Menschen,
von denen sie sich anfassen ließ. »Sei gegrüßt, Feuergeist«, sagte
er und liebkoste Alnath mit vom Lautenspiel schwieligen Fingern,
was Alnath vor lauter Behagen kobaltblaue Flammen speien ließ.
»Und wie geht es eigentlich Cadmon?«
»Er ist tot«, erwiderte Eirthe.
»Oh«, sagte Lythande ruhig. »Wirklich ein sehr schlimmer Schlag
für dich.«
Eirthe nickte und blinzelte, um nicht in Tränen auszubrechen. Es
war so eine Erleichterung für sie, mit jemandem zu reden, der ihr
Problem auf Anhieb, ohne lange, schwierige Erklärungen, ver-
stand! Erzähle den Leuten, dein Geschäftspartner sei gestorben -
und wie reagieren sie? Sie murmeln: »Oh, das tut mir leid« und
weisen dann darauf hm, daß es ja noch mehr Glasbläser auf der
Welt gebe, mit denen sich eine Kerzenmacherin zusammentun
könne, so sie das denn unbedingt wolle.
Aber die wenigsten wußten, daß sie und Cadmon sich zusammen-
getan hatten, weil sie beide unter einem Fluch standen, genauer
gesagt: unter unterschiedlichen Flüchen, die sich gegenseitig auf-
hoben … Cadmon blies wunderbare Glaswaren, in denen aber je-
der Gegenstand fast augenblicklich verbrannte, zu Rauch wurde.
Und sie fertigte feinste, elegante Leuchterkerzen und auch figür-
liche Kerzen, die so lebensecht aussahen, daß sie einem fast zu
schade zum Anzünden erschienen. Aber sie war mit einem Kälte-
fluch geschlagen. Sie konnte kein Feuer mehr anzünden, und kei-
nes ihrer Lichter brannte - es sei denn, man stellte es in eins von
Cadmons Gläsern. Beides zusammen, ihre Kerzen und seine Gläser, ergab nun die allerbesten Sicherheitslampen - wenn sie umfielen, gingen sie aus. Sie hatten einander vor acht Jahren auf dem großen Markt kennengelernt, nur Stunden nachdem jeder von ihnen mit einem Fluch belegt worden war - und waren seitdem gute Freunde und Partner gewesen.
Nun, nach dem Tod Cadmons, hatte sie eigentlich erst so richtig
gemerkt, wie schlimm der auf ihr liegende Fluch war.
»Das Problem ist nicht, daß ich kurz vor dem Verhungern
stünde«, sagte sie zu Lythande. »Cadmon und ich waren uns im-
mer bewußt, daß einer von uns eines Tages allein dastehen könnte,
und wir haben deshalb einiges auf die hohe Kante gelegt. Was also
meine Finanzen angeht … da brauchte ich für den Rest meines
Lebens nicht mehr zu arbeiten. Aber was sollte ich sonst tun? Mir
liegt es einfach nicht, bloß herumzusitzen und die Hände in den
Schoß zu legen! Aber ohne Cadmons Gläser ist es für mich sinn-
los, noch weiter Kerzen zu fabrizieren. Ich hätte sogar Schwierig-
keiten mit dem Wachsschmelzen. Ich kann zwar noch ein Feuer
anzünden und am Leben erhalten«, erklärte sie, »aber nur in dem
Ofen, den Cadmon mir gemauert hat… und der nützt mir natür-
lich nichts, wenn ich in kalten Nächten unterwegs bin. Ich trau
mich nicht einmal, mich hier ans Kaminfeuer zu setzen, aus
Angst, es damit zum Erlöschen zu bringen. Mir ist jetzt ständig
kalt, und ich fühle mich ganz schrecklich dabei.«
»Das kann ich mir gut vorstellen …«, sagte Lythande mitfühlend.
»Aber was führte dich hierher?«
»Das war Alnaths Idee«, gestand Eirthe. Bei Lythande brauchte sie
wenigstens nicht zu befürchten, für verrückt gehalten zu werden,
weil sie dem Rat einer Salamanderin folgte. »Sie hat gemeint, ich
könnte beim Herzen des Feuers, dem Vulkan hier, vielleicht Hilfe
finden.«
»Hat sie auch gesagt, wie?« fragte der Zauberer.
»Nein, das nicht …«, sagte Eirthe achselzuckend. »Aber wer kennt das Feuer denn besser als ein Feuergeist?«
»Da ist sicher etwas dran«, murmelte Lythande. »Du hast natür-
lich mein ganzes Mitgefühl, aber du brauchst sicher auch handfesteren Beistand. Was
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