Lichtschwester - 8
willst du also von mir?«
»Du sollst mitkommen und mir den Weg zum Vulkan bahnen. Da ist so auf halber Höhe eine für mich unüberwindliche Barriere …
Ich bin heute nachmittag darauf gestoßen.«
Lythande runzelte die Augenbrauen, daß der blaue Stern auf sei-
ner Nasenwurzel Falten schlug. Er überlegte kurz und traf dann seine Entscheidung: »Es sind noch viele Dinge vor der letzten
Schlacht zwischen Recht und Chaos zu erledigen, und das hier gehört sicher dazu … Wir werden dieses Hindernis gleich morgen früh einmal in Augenschein nehmen.«
So stand Eirthe also im Frühlicht wieder, und wieder mit Alnath
auf der Schulter, vor dieser unsichtbaren Barriere und verfolgte
gespannt, wie Lythande das Zauberwerk behutsam abtastete. Und
mit einemmal lachte der Magier auf und steckte einen Finger hin-
durch. »Ich kann nicht sagen, daß ich von diesem Ding hier viel
hielte«, spottete er. »So etwas würde ich als Weidezaun aufstellen,
damit die Schafe nicht die Klippen hinabfallen.«
»Besten Dank für die Blumen«, knurrte Eirthe.
Lythande kicherte. »Ich habe dich doch nicht zum Schaf erklärt…
Ich wollte bloß sagen, daß, wer immer auch dieses Hindernis er-
richtet hat, kein großer Magier war oder sich dabei nicht viel Mühe
gab …« Und richtig, wo der Finger durchging, paßte auch der Arm
durch, der Kopf und der Rumpf, und da war Lythande schon halb
hindurchgeschlüpft … Er packte Eirthe am Handgelenk, rief:
»Komm mit!« und zog sie hinter sich her auf die andere Seite.
Eirthe hatte dabei ein Gefühl wie einstens beim Eintauchen in den
Teich vor ihrem Elternhaus - nein, eher wie beim Wiederauftau-
chen … war es doch drüben sehr viel heißer und trockener als
hüben. Und je höher sie stiegen, je mehr sie sich also dem Vul-
kankrater näherten, desto heißer wurde es auch, und desto schwe-
felhaltiger und beklemmender wurde die Luft. Als sie noch etwa
vier Schritte vom Kraterrand trennten, stieß der Vulkan erneut
blubbernde Lava aus.
Lythande sprang von der Rinne zurück, in die sich die rotglühende
Masse ergoß, und riß auch Eirthe mit, die in all den Jahren wohl
verlernt hatte, schnell auf Hitze zu reagieren. Und aus der Tiefe
des Vulkans erhob sich nun die reinste Sopranstimme, die man
sich vorstellen kann, und sprach: »Gut, daß ihr kommt. Es ist
schon so lange her, daß mir jemand eine Jungfrau als Opfer ge-
bracht hat.«
Da holte Eirthe Luft, um lautstark zu protestieren - bekam dabei
aber so viel Schwefel in die Lungen, daß sie keuchte und hustete
und eine Weile lang kein Wort mehr hervorbrachte. Doch sie
nutzte ihren Hustenanfall, um nachzudenken: Sie war keine Jung-
frau mehr, Alnath ebensowenig (was aber nur von Bedeutung war,
wenn sich der Berg bei Salamanderinnen darum scherte, ob sie
jungfräulich seien oder nicht). Was ja sein konnte. Wer hätte denn
sagen können, was so ein Vulkan für wichtig hält? Aber hieß das
etwa, daß Lythande nach einem Leben, das schon wer weiß wie
viele Menschenalter maß, noch immer unberührt war?
»Wie kommst du darauf, daß wir eine Jungfrau unter uns hätten?«
fragte Eirthe, als sie ihre Stimme wiederhatte. »Oder hier sind, um
dir eine darzubringen ?«
»Nur ein Opferzug mit einer Jungfrau kann durch meine Schranke
schlüpfen«, erklärte der Vulkan geduldig. »Ich nahm an, das sei
euch bekannt. Alier es ist ja schon viel Zeit vergangen, seither.«
Eirthe hörte den Magier murmeln — es klang ganz nach einem
Fluch. Aber sie kümmerte sich nicht darum und fragte den
Feuerspeier:
»Du hast diese Barriere errichtet? Und warum?«
»Weil ich es satt hatte, für den ganzen Bezirk den Müllschlucker zu spielen!« erwiderte der Vulkan. »O ja, diese Leute schleppten,
was … oder wen sie bei sich nicht brauchen konnten, hier herauf
und kippten mir das in den Schlund: kranke Tiere und uner-
wünschte Neugeborene, Ermordete und ähnliches … und da kam
dann noch die Pest … Diesen Narren war wohl nicht klar, daß
Seuchenopfer einem Vulkan schreckliches Sodbrennen bereiten
können.«
»Oh, das kann ich mir schon vorstellen«, warf Lythande ein, der
sich hinter Eirthe gestellt hatte. »Daher also diese Schranke …«
»… die nur eine Jungfrau in Begleitung irgendeines Bittstellers
überwinden kann«, schloß der Berg an seiner Statt und fragte, an
Eirthe gewandt: »Nun, junge Frau, was ist dein Begehr?«
»Muß ich es… gleich sagen?« fragte Eirthe. »Oder habe ich noch
Zeit, darüber nachzudenken und,
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