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Lichtschwester

Lichtschwester

Titel: Lichtschwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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beim Streicheln ihrer so weich gefiederten Falkin oder ihrer seidenfelligen Stute verspürt hatte ... aber auch mit einem wilden und ihr ganz neuen Schutzinstinkt, so als ob nur ihre Arme sie vor dem Rest der Welt beschirmen könnten, und Tara klammerte sich an sie, ganz als ob das wirklich wahr sei. »Tara, du solltest aus Bindir weggehen ...«, sagte Shanna endlich. »Du brauchst deine Arbeit nicht so im verborgenen zu tun ... wie eine Ratte in ihrem Loch. Die Mondmütter können dir doch in ihrem Tempel Schutz bieten.«
      »Und ich soll dich Hungers sterben lassen? Glaubst du, ich könnte dich vergessen? Wo du auch deinen Bruder, den du doch eigentlich suchen solltest, nicht vergessen kannst, obwohl du ihn seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hast ...«
      Tara lachte unsicher und löste sich von ihr. Dann zündete sie die kleine Lampe an, sortierte den Inhalt ihres Korbes und legte dies und jenes beiseite. Shanna sah ihr stirnrunzelnd zu, schleuderte dann ihre Schuhe von sich und zerrte wütend an ihren Rockbän dern, die wieder mal nicht aufgehen wollten. Früher, als Prinzessin von Sharteyn, hatte sie Kleider und Schleier getragen. Und dann, als ihr Bruder nicht von seiner Antrittsreise an den Hof des Kaisers zurückgekehrt war, hatte sie das Gewand einer Kriegerin angelegt und geschworen, ihn nach Hause zurückzubringen. Im fleckigen Wandspiegel sah sie Tara im Zimmer hin und her gehen - eine schimmernde Gestalt im Lampenschein. Das Haus war Teil des Palasts gewesen, den ein Reeder bewohnt hatte ... damals, ehe der Kaiser all den Adelsfamilien die zweifelhafte Ehre gewährt hatte, unter seinen Augen droben in der Zitadelle zu leben. Es war noch im alten Stil erbaut, mit Balkonen und Treppen, die sich wie Efeu an die Mauern schmiegten, und von seiner einstigen Pracht zeugten noch einige Deckenfriese, Spiegel und andere Dinge, die dem Zahn der Zeit widerstanden hatten. »Wenn du die Rockbänder abreißt, muß ich sie nur wieder annähen. Laß mich mal versuchen ...sagte Tara und trat, wieder gefaßten Gesichts, auf sie zu.
      Shanna stand ganz still, als Tara sich mit gebeugtem Kopf an den Bändern zu schaffen machte. Aber plötzlich pochte ihr das Herz in der Brust. Sie spürte die Wärme des nahen Körpers, sah den zarten Nacken, der ihr blondes Haar teilte. Dann gab der widerspenstige Stoff nach, und in diesem Moment der Erleichterung küßte Shanna den zarten Nacken und legte Tara ihr die Arme sacht um die Hüften und hielt sie fest umschlossen.
      Ihr weiches Bett stand unweit hinter ihnen, aber es dauerte eine Ewigkeit, bis sie es erreicht hatten, entledigten sie sich doch bei jedem Schritt eines Kleidungsstücks, bis es für sie nur noch die süße Empfindung von nackter Haut auf nackter Haut gab. »Laß mich nicht gehen«, flüsterte Tara, als sie endlich unter der Decke lagen. 
      Da umschlang Shanna ihre kleine Geliebte. Als deren Lieb-kosungen aber sicherer wurden, war sie es, deren Geist frei auf der steigenden Flut schwamm.
      Als Shanna wieder zu sich kam, verlieh das Frühlicht ihrem Zimmer trügerische Schönheit. Sie lagen nackt und bloß auf dem Bett, die Decke zurückgestreift, und im alten Spiegel sah sie ihre einander umschlingenden Körper: ein von Taras Locken vergoldetes und durch ihre schwarzen Strähnen schattiertes Wogen milchweißer Rundungen.
      »Ytarra vom Spiegel ...«, sagte sie sanft. »Mein Leib spiegelt den deinen und dieser Spiegel alle beide. Birgt irgendein Tempel denn ein schöneres Bild der Göttin als dieses?«
      Tara lächelte und streckte sich, um die Geliebte anzublicken, und so lagen sie dann Brust gegen Brust und Schenkel an Schenkel. »Ich glaube nicht, daß der Matrose das so gemeint hat. Kennst du jene alte Geschichte nicht? Man sagt, daß es weit im Westmeer eine Insel gibt, wo die Frauen einander ansehen, wie Ytarra sich in ihrem Spiegel ansieht ... voll Entzücken und Verlangen.« Nun lachte Shanna. »Ob uns wohl eines der Schiffe, die im Hafen liegen, dorthin brächte? Lady Amniset liebt nichts und niemanden. Sie würde uns nie folgen.«
      Tara schüttelte den Kopf. »Der Weg dorthin ist in Vergessenheit geraten«, seufzte sie und schmiegte sich an Shannas Schulter. Shanna blickte wieder in den Spiegel und verdrängte alle anderen Bilder, die in ihrem Inneren aufschienen - das einer Falkin und eines Pferdes, das einer Frau mit verwittertem Gesicht und eines rothaarigen Mannes ... und das hinter allen anderen stehende Bild eines Jungen

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