Lichtschwester
gebracht hatte, und schon am ersten Tag, als die anfänglich gesammelte Rinde aufgebraucht war, kam es ihr vor, als ob sie nicht allein unterwegs sei: Cheyne strich ihr mitunter um die Beine und brachte sie damit zu Fall -aber dann schwebten Meule und Unbekannte herzu und bestürmten sie, wieder aufzustehen und dorthin zu kommen, wo sie ihr helfen könnten.
Und wenn Coelli sich daraufhin weiterschleppte, sprachen sie mit ihr und lobten sie. Aber an das, was sie da sagten, konnte sie sich später nicht mehr erinnern.
Als ihr Fieber am dritten Tag fiel, wußte sie, daß sie überleben und ihre Wunden vernarben sehen würde.
Die Grenzsteine von Windwalls passierte Coelli kurz nach Mittag. Meule - in Weiß statt in seine grüne Kastellansrobe gekleidet -erwartete sie schon vor dem Burgtor. Dicht hinter ihm sah sie all die anderen stehen, die sie nur aus ihren Fieberträumen kannte ... Sie schritt langsam auf sie zu, setzte dabei behutsam Schritt vor Schritt, um ja nicht noch zu stolpern.
»Willkommen«, grüßte Meister Meule. »Willkommen daheim, Meisterin Coelli.«
Dann erhob sich ein Flüstern gleich dem des Windes in den Bäumen, und da wußte Coelli, ohne eines weiteren Belegs zu bedürfen, wer diese Katze geformt und zu ihr geschickt hatte. Willkommen, flüsterten nun die versammelten Herren von Windwalls. Willkommen ... willkommen ... willkommen ... »Ich komme, weil ich um meine Entlassung nachsuchen will, Meule«, erwiderte Coelli mit rauher Stimme. Ihre Kehle war wie Pergament und des Sprechens ungewohnt. Aber sie hatte gesagt, was sie hatte sagen wollen.
Meule meinte, seinen Ohren nicht trauen zu können. Als er nun den Mund zu besänftigenden Platitüden auftat, fühlte sie eine panische Angst in sich aufsteigen, daß sie seinen Worten erneut Glauben schenken könnte.
Aber Cheyne kam ihm zuvor: Ihr Kater-Ich, nun für immer ein Teil von ihr, stimmte ein HohnIied auf diesen Ort der Hexerei und des Wahnsinns an. Da stöhnte Coelli-Cheyne auf und wich einen Schritt zurück.
»Der Kater«, murmelte Meule ungläubig. »Du hast den Kater.«
»Cheyne ist tot. Du mußt mich gehen lassen, deinem Wort gemäß.«
Da begannen die Herren wieder zu flüstern, und es war ein Raunen wie von Blättern im Wind. Aber Coelli blickte die Burg hinan. Die Feste erschien ihr nicht mehr starr und stark, sondern weich und schlaff wie ein Lebewesen, dem man den Lebensfunken geraubt hat.
»Dich gehen lassen ? Ja, wohin denn ? Für dich gibt es kein Zuhause mehr als dieses. Deinem Orden haben wir berichtet, du hättest ihn verraten. Von hier ging kein Vertrag, kein Schreiben nach Har-kady ab. Für deinen Orden bist du tot. Ja, wir haben dich mit Bedacht ausgewählt ... eine begabte Meisteriluminatorin, die sich gegen die Zerstörung ihres Talents wehrt... und du hast nie begriffen, wie nützlich du uns warst und warum. Du hast uns gehaßt. Geglüht vor Haß ... ach, so heiß geglüht. Du hättest dich noch Jahre so verzehrt und uns mit dem Feuer deiner Wut gewärmt.«
Uns gewärmt, seufzten die Geister im Chor. Meule trat auf Coelli zu. Er sah plötzlich nicht mehr aus wie ein Mensch, sondern weit eher wie etwas, das ihr einst vorzuspiegeln vermocht hatte, er sei ein Mensch.
»Jetzt müssen wir uns wohl nehmen, was wir bekommen können, und das alles auf einmal«, sagte Meule.
Die Geister heulten zustimmend. Bei diesem disharmonischen Geheul war es Coelli, als ob Windwalls jetzt wirklicher werde und sie in jenen Alptraum zurückholen wolle, aus dem es für sie kein zweites Erwachen gäbe. Komm zu uns ... Glühe für uns ... O Feuerkind, O Königin ... Bleib bei uns ... Rette uns ...
Eine über der Zeit stehende Königin, die für immer über Windwalls und dieses Geschlecht aus dem Reich der Legenden herrschen würde. Coelli sah in der Glorie von Windwalls schon ihren Krönungsornat schimmern.
»Nein«, sagte sie. Ein Teil von ihr war Cheyne. Und Cheyne hatte kein Interesse an Legenden, sondern an Jagd und Beute. Aber sie würde nicht die Beute sein!
»Du wirst doch nicht so weitermachen wollen, wie du jetzt bist«, sagte Meule. Aber da wog sie schon die Klinge in ihrer Hand und schleuderte sie.
Ihr Blick maß den Bogen, den die Klinge beschrieb. Sie sah sie im Sonnenlicht blitzen und hörte sie auch gegen die weiße Ringmauer klirren.
Da schwieg der Wind. Kein Lüftchen ging mehr ... Coelli stand auf einem Gipfel, auf dem einst eine Feste
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