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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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mich nicht hinaus
geworfen. Er hält mich nicht für verrückt. Aber vielleicht nur
wegen seinem roten Cortina.
»Und bei allen Farben?«
»Wie meinen Sie das?«
»Haben Sie nur bei zitronengelben Fiats Kopfschmerzen
oder bei allen Farben?«
»Bei allen«, seufzte Fero und rieb sich die rauhen Hände,
von denen er nur mit Mühe und Waschpaste den Schmutz abgeschruppt hatte.
»Zum Glück gibt es in Bratislava nicht viele Fiats.« »Wirklich, ein Glück.«
»Unangenehm.« Der Professor qualmte eine Zigarette nach
der anderen, daß selbst Feros abgehärtete Bronchien ihren
Unmut durch Husten kundtaten.
Plötzlich erhob sich Havelka und schritt zu einem verstaubten Bücherregal, das im schummrigen Teil des Zimmers stand
und vom Fußboden bis zur Decke vollgepfropft war. Havelka
griff einen Hocker, ein Erbstück von einer Großtante, bestieg
ihn mit der Gewandtheit eines Zirkusartisten und zog aus dem
Wust zwei Bücher heraus. Dann legte er abwechselnd ein russisches und ein englisches Buch auf den Schemel und sprach
von Informationsströmen und Rückkoppelung. »Ein Auto ist
ein System, ebenso wie Ihr Körper, eine Türklingel oder ein
Kühlschrank, verstehen Sie, Fero?« Havelka holte unter seinem Sessel Chemical Abstracts und Biological Abstracts hervor,
suchte mit einer Scherenspitze und einer Lupe einen Verweis,
begab sich zum erloschenen Kamin, kramte aus einem Papierberg eine Zeitschrift hervor und blätterte darin. Schließlich
setzte er sich wieder und redete von Photonenemission, Molekularschrei und der Theorie des polnischen Professors Wlodzimierz Sedlak. »Verstehen Sie mich, Fero?« Havelkas Augen
leuchteten wie bei einem Betrunkenen, er lallte etwas von unvorstellbaren Realitäten der Nukleonenphysik, worauf die
Russen und der Amerikaner Wolfgang Panofsky gekommen
seien.
»Woraus bestehen Nukleonen, erinnern Sie sich noch, Fero?
Nun? Nukleonen, das heißt Protonen und Neutronen, bilden eine Wolke elektrischer Ladung. Und wie? Dadurch, daß sie mit ungeheurer Geschwindigkeit ein pi-Meson ausstrahlen und absorbieren. Doch ein pi-Meson hat dieselben Ausmaße wie ein Proton!« Prof. Dr. sc. Havelka ereiferte sich. »Und stellen Sie sich vor, die Hülle eines pi-Mesons setzt sich zusammen, raten Sie, woraus? Aus mehreren pi-Mesonen! Das ist irrwitzig, nicht wahr? Haben die Physiker den Verstand verloren? Oder hat ihn die Natur verloren? Wie ist es möglich, daß sich ein Elementarteilchen aus mehreren genau denselben Teilchen zusammensetzen kann?« (Fero war verwirrt und wurde mißmutig.) »Bedenken Sie, junger Mann: Ein Proton besteht aus einem Proton und einem pi-Meson, das dieselben Ausmaße wie ein Proton hat! Und ein pi-Meson setzt sich aus drei solchen pi-Mesonen zusammen. Die Vorstellung, daß sich die Materie mechanisch teilen lasse, taugt hier nichts, lieber Fero. Die gesamte bisherige Logik ist unbrauchbar. Gut, daß Sie nicht studieren wollten. Dabei haben wir noch nicht von den Quarks gesprochen.« Der Professor wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann zog er den Morgenmantel aus. Darunter trug er einen alten, viel zu kurzen Schlafanzug, der sich an seine letzte Wäsche sicher nur verschwommen erin
nern konnte.
Havelka redete von Quarks, Elementarteilchen, deren Existenz die Physiker voraussetzen müssen, von vier Zuständen
der Quarks, von Quarks und Antiquarks, Mesonenwolken,
Nebeln des Mikrokosmos, aus denen sich ein Ei, ein Brot, ein
Tisch, eine Gehirnzelle, die Kammer eines Vergasers, die
Bremsen, ein Benzintropfen oder ein Kamm Evelina Horskás
zusammensetzen.
Von den Atomkernen kehrte Havelka wieder zu den einzelnen Atomen und Molekülen zurück. Er sprach von einem
möglichen Schrei der Moleküle. »Unzählige Impulse, Strahlungen, Absorptionen, Wellen, Wellen in Ihnen, Fero, Wellen
in der Luft, Wellen in den Gehirnzellen, Bioströme, unbekannte Schwingungen, Erschütterungen der Materie, der piMesonen, der Elektronenwolke, der Strahlungen, der Kerne
und Schalen, der Hüllen und Wolken.«
Fero bekam wieder Kopfschmerzen. Er unterbrach den Professor, der sich so erhitzt hatte, daß ihm selbst im Schlafanzug
zu warm war.
»Kurz, Herr Professor, Ihrer Meinung nach kann ich mit Fiats 127 Informationsströme austauschen?«
»Alles ist möglich, lieber junger Freund«, versicherte Havelka.
»Durch irgendeinen Zufall kann ich etwas ausstrahlen, was
im Wagen von Frau Horská und in allen Fiats bestimmte Verbindungen einschaltet?«
»In der heutigen Physik ist nichts ausgeschlossen, und
nichts ist

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