Lichtspruch nach Tau
zarten Parfümduft.
Während seines langen Aufenthalts im Bett schäkerte Fero mit den Schwestern und versuchte, sie mit Pralinen zu bestechen, damit sie ihm größere Essenportionen gaben. Endlich durfte er das erstemal im Park des Krankenhauses Spazierengehen Er atmete den hauptstädtischen Smog ein, der ein wenig durch alte Kastanien gefiltert war. Da stutzte er. In der Nähe des Haupteingangs, bei einem Rosenbeet, standen vier Autos, darunter ein Fiat 127. Es war der Wagen des Oberarztes, der das Privileg genoß, auf dem Krankenhausgelände zu parken.
Der junge Automechaniker schwankte eine Weile. Vor seinen Augen lief der Film seines jungen Lebens ab, die letzten Wochen, alles, was ihn ins Krankenhaus gebracht hatte. Fero blieb stehen und wollte sich abwenden. Dann schritt er jedoch mit dem Mut eines Kosmonauten auf die Autos zu und blieb bei dem grasgrünen Fiat stehen.
Er brauchte sich nicht an die Stirn zu fassen, der Kopf schmerzte nicht. Ermutigt ging er um den Wagen herum, blickte hinein, stellte fest, daß der Oberarzt zweiundzwanzigtausend Kilometer gefahren war und daß die Kotflügel rosteten.
Es meldete sich keine Stimme. Fero lächelte selig. Eine gelungene Operation.
Am nächsten Morgen hielt sich Fero länger als gewöhnlich beim Waschbecken auf. Es war Sonnabend, Besuchstag. Die Mutter und der Bruder mit Frau wollten kommen, Fero mochte seine Schwägerin, sie war ein entzückendes Weibchen. Sorgfältig wickelte Fero die Schnur des elektrischen Rasierapparats ab (ein Geburtstagsgeschenk seiner Mutter) und schloß sie an. Als Fero mit dem Apparat der Marke Charkiv behaglich über Wangen und Kinn kreiste, spürte er im Kopf ein dumpfes Pochen, darauf das dröhnende Pulsieren, das er schon kannte.
Mit zusammengebissenen Zähnen rasierte er sich zu Ende, und er sagte niemandem etwas davon.
Nach der Genesung fuhr Fero zur Kur. In seinem Koffer lag auch ein Rasierapparat der Marke Charkiv, und Fero lächelte merkwürdig, was die Kurärzte seiner Kopfverletzung zuschrieben.
Arkadi und Boris Strugazki
Wo das Getreide wogt
In einem »Institut für Magie und Zauberei«, wo die Magier ihre Zauberformeln mit Hilfe der höheren Mathematik berechnen, fliegende Teppiche und Tarnkappen als veraltet im Museum liegen (zusammen mit gravigenen Siebenmeilenstiefeln und dem rechten Augenzahn des Grafen Dracula) und Zauberei wie Wissenschaft im Verein zur Lösung großer Probleme eingesetzt werden, ist eine Zeitmaschine erfunden worden, mit der man zwar nicht in die wirkliche Vergangenheit oder Zukunft reisen kann, wohl aber in jene ideale Zukunft, die in utopischen und phantastischen Werken beschrieben ist.
Die Zeitmaschine erinnert im Aussehen an ein Fahrrad – wie seinerzeit Herbert Wells’ klassisches Modell. Gesteuert wird sie etwa wie ein Auto; sie hat ein Gaspedal, eine Bremse und ein Pedal für die Kupplung mit der Wirklichkeit. Ein Institutsmitarbeiter unternimmt eine Probefahrt mit der Maschine; nun erzählt er, was er dabei erlebt hat.
Anfangs bewegte sich die Maschine ruckweise, und ich hatte zu tun, mich im Sattel zu halten, indem ich mit den Beinen das Gestell umklammerte und mit aller Kraft die Lenkstange festhielt. Aus den Augenwinkeln nahm ich ringsum flüchtig prächtige, durchsichtige Bauwerke wahr, mattgrüne Ebenen und in dem grauen Nebel unweit des Zenits eine kalte Sonne, die keine Wärme spendete. Dann ging mir der Grund für das Rütteln und Rucken auf: Ich hatte den Fuß vom Gaspedal genommen, die Motorleistung reichte (ganz wie bei einem Auto) nicht aus, und die Maschine stieß in ihrer ungleichmäßigen Bewegung immer wieder auf die Ruinen antiker und mittelalterlicher Utopien. Ich gab mehr Gas, sofort wurde die Bewegung gleichmäßig, und ich konnte mich endlich bequemer hinsetzen und mich umschauen.
Mich umgab eine durchsichtige Welt. Riesige Bauten aus verschiedenfarbigem Marmor, mit Säulenreihen geschmückt, erhoben sich inmitten kleiner Häuschen von dörflichem Aussehen. Ringsum wogte bei völliger Windstille das Getreide. Auf der Wiese weideten wohlgenährte, durchsichtige Viehherden, auf den Anhöhen saßen graue Hirten von edler Gestalt. Wie ein Mann lasen sie Bücher und altertümliche Manuskripte. Dann tauchten neben mir zwei durchsichtige Menschen auf, stellten sich in Positur und begannen zu sprechen. Beide waren sie barfuß, mit Kränzen geschmückt und in faltenreiche Chitone gehüllt. Einer hielt in der rechten Hand einen Spaten, und mit der Linken umfaßte er eine
Weitere Kostenlose Bücher