Lichtspruch nach Tau
abgeschlossen. Nehmen wir beispielsweise die Erkenntnis, daß jeder der vier Quarkzustände sich in weitere
Zustände aufspaltet, abgesehen von den sogenannten degenerierten Zuständen, die…«
Fero machte eine Handbewegung, die prächtige Handbewegung, mit der er die Motorhaube von Havelkas Cortina zuzuschlagen pflegte, wenn er den Wagen nach fünftausend Kilometern durchgesehen hatte. Es war eine herrische, energische Geste, die den Professor verstummen ließ.
»Also ist es möglich, daß irgendwo jemand lebt, der sich
mit einem Kühlschrank unterhalten kann?«
Der Professor nickte eifrig, er wollte etwas ergänzen, aber
Fero fuhr fort:
»Mit einem Radio?«
»Auch das ist nicht ausgeschlossen.«
»Mit einem Staubsauger?«
»Warum nicht? Alle diese Gegenstände sind das Ergebnis
eines technologischen Prozesses, den der Mensch erdacht hat.
In ihnen entstehen gewisse Kopplungen, Strukturen und…« Ich pfeife auf deine Kopplungen, Systeme, Subsysteme, Informationsströme und Strukturen. Wahrscheinlich ist es einfach so, daß sich am Fließband in den Turiner Fiatwerken ein
Mann wie ich abschindet, von den Mädchen draußen träumt
wie ich und sich über die zu kurze Frühstückspause beklagt,
neben ihm sitzen Beppo und Carlo oder wie die Jungs in den
italienischen Filmen heißen, sie denken ebenso an andere Dinge, wenn sie eine Leerlaufdüse einschrauben oder ein Kabel
anlöten, und ihre Gedanken heften sich an eine Schraube oder
eine Mutter, an ein Stück Draht oder Gummi, sie kleben fest
wie Marmelade, und alles zusammen singt, spielt, wirkt aufeinander ein, und wenn ich an dem Fiat vorbeigehe, grüßt
mich jemand aus den Blechen und Drähten. Ich muß mich mit
dem Auto unterhalten.
Fero erhob sich aus dem abgewetzten Sessel. Mit nervösen
Fingern hatte er die Lehne, aus der Pferdehaar quoll, noch
mehr aufgerissen. Er verabschiedete sich hastig und ließ Professor Havelka bei seinen englischen und russischen Büchern,
bei seinen Dokumentationen und internationalen Referateblättern.
Am nächsten Morgen schluckte Fero eine von den Tabletten, die ihm die Betriebsärztin verschrieben hatte, und erbat
sich in der Werkstatt den zitronengelben Fiat für eine Probefahrt.
»Die Wasserpumpe ist nicht ganz in Ordnung«, brummte
der Meister. »Es würde nichts schaden, wenn du sie nachsiehst. Aber Fero, das sage ich dir, treib dich nicht herum, die
Kundin holt den Wagen um zehn ab!« Er gab ihm die Wagenschlüssel. »Hör mal, warum warst du gestern nicht zur Versammlung?«
Fero hörte die Frage nicht mehr, er rannte schon zu Frau
Evelina Horskás Wagen.
Die Uhr zeigte drei Viertel elf. Evelina Horská war es leid, im Warteraum zu sitzen und in einer speckigen, vier Wochen alten Illustrierten zu blättern. Gegen die Vorschriften ließ der Pförtner die Schauspielerin auf den Hof, schließlich war es eine Stammkundin. Sie spähte nach ihrem zitronengelben Fiat aus.
»Ich weiß nicht, ich verstehe nicht, Gnädigste«, stammelte der Meister. »Fero ist ein gewissenhafter Junge, einer der besten Motorenschlosser, die ich kenne… Er muß jeden Moment zurückkommen. Wir wollten Ihnen Ihr Wägelchen noch ein bißchen waschen.«
»Nicht nötig«, sagte Frau Evelina lächelnd. Ihr schwarzhaariges Köpfchen blickte schutzlos aus der Pelzjacke und erweckte im ausgehungerten Meister zärtliche Gefühle, geradeso wie bei Hunderttausenden Fernsehzuschauern. »Ich fahre gleich in die Tatra, zu Dreharbeiten.« Sie nahm ihre große rote Reisetasche in die andere Hand.
Erst um elf klingelte beim Meister das Telefon. »Auf der Straße nach Senec, bei Kilometer 21,6, hatte ein Fiat 127 mit Ihrem Mechaniker einen Unfall. Nein, er ist nicht tot. Eine Kopfverletzung. Der Wagen wird schon abgeschleppt. Es ist nicht so schlimm.«
»Es ist nicht so schlimm, Frau Horská. Ihr Wägelchen ist in vier Wochen wieder wie neu, das verspreche ich Ihnen. Das ist mir äußerst peinlich, Fero war ein so gewissenhafter Junge…«
Beim Automechaniker Fero dauerte es länger als beim zitronengelben Fiat, bis er nach der Operation wieder wie neu aussah. Einmal besuchte ihn auch Frau Evelina Horská, was Fero nicht nur bei Patienten und Schwestern, sondern auch bei den Ärzten zu Ansehen verhalf. Frau Evelina erkundigte sich taktvoll nach der Ursache des Unfalls, doch der junge Mechaniker verdüsterte nur seinen Blick und antwortete nicht. Die Besucherin schenkte Fero ein Foto mit eigenhändigem Autogramm, bedachte alle mit ihrem Lächeln und hinterließ einen
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