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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Pergamentrolle. Der andere stützte sich auf eine Hacke und spielte zerstreut mit einem riesigen kupfernen Tintenfaß, das ihm am Gürtel hing. Sie sprachen streng der Reihe nach und, wie mir anfangs schien, miteinander. Doch sehr bald begriff ich, daß sie sich an mich wandten, obwohl keiner auch nur einen Blick in meine Richtung warf. Ich begann ihnen zuzuhören. Der mit dem Spaten legte lang und monoton die politischen Prinzipien des herrlichen Landes dar, dessen Bürger er war. Die Prinzipien waren überaus demokratisch, von irgendwelchem Zwang gegenüber den Bürgern konnte keine Rede sein (er unterstrich das mehrere Male mit besonderem Nachdruck), alle waren reich und sorgenfrei, und selbst der letzte Ackerbauer hatte mindestens drei Sklaven. Als er innehielt, um Atem zu holen und seine Lippen anzufeuchten, fiel der mit dem Tintenfaß ein. Er rühmte sich, soeben seine drei Stunden als Fährmann auf dem Fluß abgeleistet und von niemandem einen roten Heller dafür genommen zu haben, weil er überhaupt nicht wisse, was Geld sei, jetzt aber begebe er sich unter den Schirm der Arkaden, um der Wonne zu pflegen.
    Sie sprachen lange – dem Tachometer nach zu urteilen, mehrere Jahre lang –, doch dann verschwanden sie plötzlich, und die Szene leerte sich. Durch die durchsichtigen Gebäude schien die Sonne hindurch. Unverhofft zogen dicht über der Erde schwere Flugapparate dahin, mit Flügeln, die hautüberspannt waren wie bei Pterodaktylen. Im ersten Moment schien es mir, als stünden sie alle in Flammen, dann aber bemerkte ich, daß der Rauch bei ihnen aus großen konischen Röhren kam. Schwerfällig mit den Flügeln schlagend, flogen sie über mir, es rieselte Asche herab, und einer ließ ein knorriges Holzscheit auf mich fallen.
    An den luxuriösen Gebäuden ringsumher begann sich etwas zu verändern. Die Säulen wurden nicht weniger, und die Architektur blieb nach wie vor üppig und absonderlich, doch es tauchten neue Farbtöne auf, und der Marmor schien irgendein moderneres Material abzulösen, anstelle der blinden Statuen und Büsten aber erschienen auf den Dächern glänzende Vorrichtungen, die den Antennen von Radioteleskopen ähnelten. Die Straßen füllten sich mit Menschen und einer Unmenge Maschinen. Die Herden mit den lesenden Hirten verschwanden, das Getreide jedoch wogte noch immer, obwohl es unverändert windstill war. Ich trat auf die Bremse und hielt an.
Als ich mich umsah, wurde ich gewahr, daß ich mit der Maschine auf dem Band eines rollenden Fußwegs stand. Um mich herum wimmelte es nur so von den unterschiedlichsten Leuten. Die meisten dieser Menschen waren allerdings irgendwie unwirklich, viel weniger real als die mächtigen, komplizierten, nahezu lautlosen Mechanismen. Wenn daher so ein Mechanismus zufällig gegen einen Menschen fuhr, erfolgte kein Zusammenstoß. Die Maschinen interessierten mich kaum, wahrscheinlich deshalb, weil auf der Stirnverkleidung einer jeden ein fast bis zur Durchsichtigkeit begeisterter Erfinder saß, der ausführlich Aufbau und Zweck seines Geschöpfes erläuterte. Niemand hörte den Erfindern zu, sie schienen sich aber auch an keine bestimmte Person zu wenden.
    Die Menschen zu betrachten war interessanter. Ich sah kräftige Burschen in Arbeitsanzügen, die einhergingen, die Arme um die Schultern der anderen geschlungen, fluchten und unmelodische Lieder zu schlechten Versen grölten. Immer wieder kamen Leute vor, die nur teilweise bekleidet waren, etwa mit einem grünen Hut und einem roten Jackett auf dem nackten Körper (und sonst nichts), mit gelben Schuhen und einer bunten Krawatte (weder Hemd noch Hosen, nicht einmal Unterwäsche) oder mit eleganten Schuhen an bloßen Füßen. Die anderen Leute verhielten sich ihnen gegenüber völlig ruhig, ich aber wunderte mich so lange, bis mir einfiel, daß manche Autoren etwa folgendermaßen zu schreiben pflegen: »Die Tür öffnete sich, und auf der Schwelle erschien ein kräftiger Mann mit flauschiger Mütze und dunkler Brille.« Es kamen auch Leute vor, die normal angezogen waren, allerdings Kleidung von seltsamem Schnitt trugen, und hier und da drängte sich durch die Menge ein braungebrannter bärtiger Mann in flekkenlos weißer Chlamys, in der einen Hand eine Erdhacke oder irgendein Kummet, Staffelei oder Federkasten in der anderen. Die Männer in den Chlamys sahen verwirrt aus, sie schreckten vor den vielfüßigen Mechanismen zurück und blickten gehetzt um sich.
    Abgesehen vom Gemurmel der Erfinder, war es

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