Lichtspruch nach Tau
Fero hatte der Geruch von Benzin, Öl, Gummi, Lack, Autos und Motoren niemals geschadet. Für diesen Geruch hatte er sogar das Gymnasium verlassen, hatte die ermüdenden Slowakischstunden, die höhere Mathematik und die Staatsbürgerkunde aufgegeben, um zur Freude seiner Eltern eine Autoschlosserlehre zu beginnen. Fero atmete langsam die Luft ein, er stand im menschenleeren Hof inmitten von Autos und Wracks. Plötzlich lachte er über sich selber und schritt zu einem kleinen rostigen Fiat 600, dem ein Scheinwerfer fehlte. Vorsichtig faßte er sich an die Stirn. Nichts. Er wartete, beugte sich über das bucklige Autochen. Nichts. Der Kopf tat nicht weh.
Dann lief er begierig zu einem blaulackierten Renault 15, dem Eigentum eines Fleischermeisters. Ein flaches Ungeheuer mit weichen schwarzen Sitzen, gefletschter Schnauze, herausfordernd aufgezogenen Rädern, mit einem Schiebedach wie bei einer Weltraumrakete. Ein edles Geschöpf für etwa hunderttausend Kronen. (Einmal werde ich auch so einen besitzen, Vater, das wirst du erleben!) Fero beugte sich über die schräge Frontscheibe und lauerte, was geschehen würde. Es geschah nichts. Ihm war, als hätte er einen Ballon im Kopf. Der Zauber wirkte nicht.
Des Fleischermeisters Renault stand mit dem Heck zu dem Fiat 127. Fero tat den entscheidenden Schritt und beugte sich wieder über die zitronengelbe Motorhaube. Aus Evelina Horskás Wagen strömte der Schmerz wellenartig in Feros Kopf, die Stirn drohte zu bersten. Schnell wandte sich Fero vom Auto ab und trat einen Schritt zurück. Die Schmerzwellen verebbten.
»Na so was«, murmelte der junge Automechaniker. Da zuckte durch sein Hirn ein Satz, den eine unbekannte
Stimme sprach: »Keine Angst, reden wir ein bißchen miteinander!« Der Fiat lächelte freundlich.
»Mensch, lauf nicht fort, ich werde dir alles erklären.« Fero lief schon zwischen den Autos hindurch quer über den
Hof, er raste am Pförtner vorbei, ohne sich auszutragen. Die Betriebsärztin hatte bis um vier Sprechstunde. Welch ein Glück.
Die Schwester hatte den Sterilisator schon abgeschlossen und war gerade damit beschäftigt, ihre Einkäufe in einem Netz zu verstauen (Äpfel, Milch, Butter und sechs Semmeln). Die Ärztin dachte an das abendliche Konzert, ihr langes Kleid war schon wieder zu eng, sie würde es noch auslassen müssen.
»Das sind die Nerven, junger Mann. Weniger trinken und rauchen…«
»Ich rauche nicht, Frau Doktor. Und getrunken habe ich das letztemal…«
»Gestern«, piepste die Schwester, die sich inzwischen vor dem Spiegel kämmte.
Fero starrte sie wütend an.
»Schon gut!« Die Ärztin wehrte ab, eine Viertelstunde vor dem Ende der Sprechstunde wollte sie einen Streit zwischen Schwester und Patienten vermeiden. Sie war müde. »Ich verschreibe Ihnen etwas zur Beruhigung. Abends vor dem Schlafengehen und morgens eine Tablette. Vorsichtig beim Autofahren, das wirkt leicht benebelnd.«
»Und keinen Alkohol«, warf die Schwester ein.
»Bestimmt nicht«, flüsterte Fero. Er war bereit, das auch Evelina Horská zu schwören, nur um nicht die Stimme zu vernehmen, die aus ihrem Auto kam. Eine Stimme, die sich mit einem schmerzhaften Pulsieren im Kopf meldete.
Ich bin nicht auf die Quacksalber in Ambulatorien und Betriebspolikliniken angewiesen, sagte sich stolz der Automechaniker Fero. Durch die Fiats, Fords und Renaults kannte er einflußreiche Fleischer, Professoren, Musiker, Klempner, Bildhauer und Gynäkologen. Er rief Professor Dr. sc. Václav Havelka an.
»Hier ist Fero«, hauchte er in die Muschel. »Fero von der Autowerkstatt, Herr Professor.«
»Aah, Fero, natürlich weiß ich, wer Sie sind. Was haben Sie auf dem Herzen? – Selbstverständlich, kommen Sie her, gleich, wenn es sein muß.«
In einem abgewetzten Ledersessel, der von seinen Großeltern stammte (warum kauft er sich keine finnische Couchgarnitur für zweiundzwanzigtausend Kronen?) saß Akademiemitglied Professor Havelka, Doktor der physikalischen Wissenschaften, und rauchte billige Zigaretten. Havelka verschnaufte gerade zwischen zwei Symposien in Berlin und Caracas und hörte sich an, was ihm der Automechaniker Fero über Gespräche mit Fiats 127 berichtete.
»Bei meinem Cortina ist Ihnen das nicht passiert?« »Nein, Herr Professor.«
»Nur bei Fiats 127?«
»Nur bei denen.«
»Interessant.«
Professor Havelka legte die Füße auf einen geschnitzten
Schemel, der seit vier Generationen im Besitz der Familie war. Fero verfinsterte sich. Der Professor hat
Weitere Kostenlose Bücher