Lichtspruch nach Tau
dumm!« Ihre Nasenflügel bebten. »Ich habe Ohren. Ich habe Augen. Und eine Nase. Jawohl, eine Nase!«
»Ihre Nase ist nicht zu übersehen«, sagte ich. »Trotzdem kann ich nicht daran ablesen, was Sie eigentlich von mir wollen.«
Es sah aus, als würde sie in Ohnmacht fallen, doch dann änderte sie ihre Absicht.
»Flegel!« kreischte sie. »Das werden Sie bereuen. Unverzüglich werde ich die Polizei informieren!«
Sie wandte mir den Rücken und verschwand geräuschvoll in ihrer Behausung. Ich hatte keine Ahnung, was dieser Auftritt bedeuten sollte. Wahrscheinlich war sie zu lange unter der Trockenhaube gewesen.
Ich schloß unsere Wohnungstür auf. Als ich in den Flur trat, schlug mir ein ätzender Manegegeruch entgegen. In Küche und Bad herrschte wüste Unordnung. Fenster und Türen waren geöffnet. Ich lief ins Wohnzimmer. Der gleiche Geruch, das gleiche Chaos.
»Bella!« rief ich. »Bella, wo bist du?«
Aus dem Schlafzimmer hörte ich ein Geräusch. Ich stürzte zur Tür. Der Mahagonischreibtisch stand davor.
»Komm nicht herein.« Es war Bellas Stimme. Durch die Tür klang sie dumpf und kehlig. »Ich muß dir etwas erklären. Warte einen Augenblick.«
»Nicht nötig«, sagte ich. »Frau Burk hat mich bereits informiert. Du hast ein Tier in der Wohnung.«
Ich wuchtete den Schreibtisch zur Seite und zwängte mich durch den Türspalt.
Ein prächtiger Tiger lag auf unserem Doppelbett.
Ich wollte zurück durch die Tür.
»Keine Angst«, sagte das Tier. »Ich bin es, deine Bella.«
Ich war unfähig, ein Wort hervorzubringen.
»Na komm schon näher.«
Mit schwankenden Schritten näherte ich mich dem Bett.
»Setz dich doch.«
Ich ließ mich auf die Bettkante nieder. Die Riesenkatze wälzte sich herum und legte ihre Pranke in meinen Schoß.
Paranoide Halluzination. Ich fühlte, wie mir der kalte Schweiß ausbrach. Meine Hände begannen zu zittern.
Die Pranke legte sich um meinen Hals und zog mich sanft, doch mit unwiderstehlicher Kraft herunter.
Tief aus der Kehle der Tigerin kam ein zärtliches Knurren. »Ganz ruhig, mein Geliebter, ganz ruhig. Ich bin es, deine Bella. Du darfst keine Angst haben.«
»Wie – wie ist das passiert?« stammelte ich.
»Du weißt doch, seit einigen Monaten arbeiten wir an der Mutation von Panthera tigris. Dabei muß etwas schiefgegangen sein.«
Das Institut für Angewandte Vivimutationsgenetik. Skiff! Warum war ich nicht gleich daraufgekommen? Skiff war der Schuldige! Die Wut ließ mich aufspringen. Sie versetzte mich in die Lage, wieder normal zu reagieren.
»Dieser Scharlatan!« schrie ich. »Dieser Schuft! Ich habe ihm schon immer mißtraut! Du hast ja nie auf mich hören wollen. Man sollte ihn in einen Vulkan schmeißen mitsamt seiner verfluchten Mutationsgenetik!«
»Du darfst ihm nicht allein die Schuld geben, das wäre ungerecht. Es kann wirklich nur ein Fehler von mir gewesen sein.«
»Was soll der idiotische Edelmut? Ist dir überhaupt klar, in welcher Lage wir sind?«
»Man kann die Mutation rückgängig machen.«
»Wer sagt das?«
»Skiff.«
»Der kann gut reden.«
»Er geht seit Tagen nicht mehr aus dem Labor, gönnt sich kaum noch Schlaf.«
»Gib mir seine Nummer.«
Sie nannte eine achtstellige Ziffer.
Ich zog den Bildschirm heran und drückte die Ziffern in die Tasten. Eine halbe Minute pulste das grüne Rufsignal. Dann erschien sein Bild. Er sah aus wie immer. Weißes Hemd, blaue Fliege weiß punktiert, hellgrauer Leinenanzug, darüber ein schneeweißer Kittel. In seinem asketischen Gesicht war kein Zeichen von Ermüdung. Von Schuldbewußtsein schon gar nicht.
»Gut, daß Sie da sind, mein Freund«, sagte er in seiner herablassenden Art. »Ich habe Ihren Ruf erwartet. Sie sind zur Zeit der einzige, dem ich Bella anvertrauen kann.«
»Quatschen Sie nicht so aufgeblasen«, fuhr ich ihn an. »Erklären Sie mir, wie das passieren konnte.«
»Ich versuche, eine Lösung für die Reversion zu finden.«
»Beeilen Sie sich. Wenn die Welt erfährt, was in Ihrem Laden vorgeht, ist es aus mit der Karriere.«
»Keiner meiner Mitarbeiter wäre so verantwortungslos, einen Betriebsunfall an die große Glocke zu hängen.«
»Betriebsunfall? Damit kommen Sie bei mir nicht durch. Ich werde einen Skandal machen, der Ihren teuflischen Pfuschereien ein Ende bereitet.«
»Tja – das können Sie natürlich tun. Aber dann gäbe es für Bella kaum noch eine Chance.«
»Wollen Sie mich erpressen, Sie Schwein?«
Er zuckte mit keinem Muskel. »Ich halte Sie für klug genug, zu begreifen«, sagte er,
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