Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
Vom Netzwerk:
sich ihre Jagdausflüge immer mehr in die Länge gezogen. Sie mußte die Herden weit draußen in der offenen Steppe stellen.
    Ich trat mit dem Fernglas vor das Zelt und hielt Ausschau. Über dem Grasland flimmerte die Hitze. Jenseits einer Hügelkette kreiste eine Schar Kuttengeier am blauen Himmel. Ich wurde unruhig. Meine Befürchtung, daß etwas Ungewöhnliches vorging, verstärkte sich. Vielleicht war ihr ein Unglück zugestoßen?
    Ich ging in das Zelt, um das Gewehr zu holen. Gerade war ich dabei, das Magazin aufzufüllen, da kam sie herein. Wortlos lief sie an mir vorbei und warf sich auf das Lager. Ihr Atem ging heftig, ihre Flanken bebten.
»Pech gehabt bei der Jagd«, knurrte sie.
    Das war nicht die Wahrheit. Zumindest nicht die ganze Wahrheit. Etwas hatte sie verstört. Ich konnte die Unsicherheit deutlich in ihren Augen lesen.
    »Du verschweigst mir etwas, Bella.«
»Ich bin erschöpft. Laß mich in Ruhe.«
Sie wich meinem Blick aus. Von jeher war sie eine schlechte
    Lügnerin.
Ich packte sie mit beiden Händen am Fell und hob ihren
Kopf.
»Ich will wissen, was vorgeht.«
»Laß los, du tust mir weh.«
Ich ließ sie los und setzte mich in den Feldstuhl.
Sie wandte den Kopf ab und sagte: »Ich bitte dich, geh zurück.«
»Zurück wohin?«
»Nach Hause In dein gewohntes Leben. Du kannst mir
nicht mehr helfen.«
»Wir warten hier auf Skiff. Es kann nicht mehr lange dauern.«
»Skiff hat uns belogen.«
»Woher willst du das plötzlich wissen?«
»Bitte frag nicht. Ich weiß es.«
»Du hast die Nerven verloren. Das geht vorüber.« »Nein, Liebster, mach dir keine Illusionen. Ich werde nie
wieder menschliche Gestalt bekommen. Es ist für uns beide
das beste, wenn wir uns trennen.«
»Unsinn«, sagte ich heftig. »Ich lasse dich doch jetzt nicht
allein.«
»Ich bin ja nicht mehr allein.«
»Ach was!« Ich begriff noch nicht, was sie meinte. »Hör zu«, sagte sie, »es ist ein Tiger aufgetaucht, vor einigen Tagen schon. Erst zeigte er sich nur von fern. Heute trieb
er mir eine Antilope zu, und wir jagten gemeinsam. Ich werde
in Zukunft mit ihm leben, verstehst du?«
»Mit einem Tiger? Bist du wahnsinnig? Was denn für ein
Tiger?«
»Still!« Bella spitzte die Ohren. »Es kommt jemand. Ein
Mensch.«
»Reden wir nicht von einem Tiger?«
»Er ist schon ganz nah.«
Hinter mir wurde der Zeltvorhang aufgerissen. Ich wandte
mich um. Im Eingang stand ein Kerl mit einem Gewehr im
Anschlag. Es war der Mann aus der Versuchsstation, der mir
im Auftrag von Skiff den Geländewagen übergeben hatte. »Hände hoch, Zaubermann!« sagte er.
»Nimm das Gewehr weg.«
»Ich schieße die Raubkatze tot. Du hast sie verhext.« »Mach dich nicht lächerlich. Das ist ein wissenschaftlicher
Versuch, weiter gar nichts. Frag deinen Chef, er wird dir alles
erklären.«
»Egal, was es ist.«
Der Sicherungshebel klickte, die Gewehrmündung
schwenkte auf Bella. Ich machte einen Satz und griff nach dem
Lauf der Waffe. Ich griff daneben. Der Mann hob den Kolben. In meinem Schädel explodierte ein Feuerwerk.
    Aus der Tiefe des Urmeeres stieg ich nach oben. Mein Kopf war ein Ballon, gefüllt mit brodelnder Lava. Die Lava dehnte sich aus, der Druck wurde schier unerträglich. Ich wollte die Augenlider öffnen. Es war eine Anstrengung, als müßte ich meinen Sargdeckel heben.
    Ich lag mit dem Gesicht nach unten im Staub. In meinen Ohren schrillten Stahldrähte. Auf meinem Rücken brannte ein Feuer. Mit großer Behutsamkeit setzte ich mich auf. Würgender Brechreiz überfiel mich. Ich spuckte den Sand aus, den ich im Mund hatte – und was ich im Magen hatte auch.
    Die Umgebung nahm Gestalt an. Ich saß auf dem Platz vor unserem Zelt. Die Sonne stand glühend im Zenit. Das Schrillen der Stahldrähte in meinen Ohren flaute ab. Was blieb, war das Zirpen der Baumzikaden.
Aus dem Zelt hörte ich Stimmen. Ich kroch näher, leise, wie ich meinte.
    »Ich werde ihn nicht hilflos liegenlassen. Du kannst machen, was du willst.«
Das war Bellas Stimme.
»Er ist nicht hilflos«, sagte eine andere Stimme. »Er kriecht schon wieder.« Und dann laut: »Kommen Sie rein.«
Ich erhob mich und wankte ins Zelt.
     
Neben Bella saß ein gelber Tiger. Er war etwa einen halben Meter länger als sie und wog gut zweihundert Kilo.
    Rechts vom Eingang lag der Mann, der mir den Schlag mit dem Gewehrkolben versetzt hatte. Er war tot. Ein Prankenhieb hatte ihm das Genick gebrochen.
    »Nehmen Sie Platz, mein Freund«, sagte der Gelbe. Skiff!
Neuer Brechreiz überfiel mich. Ich

Weitere Kostenlose Bücher