Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
Vom Netzwerk:
er verzichtete darauf, die Arbeiten einstellen zu lassen. Kichernd schlurfte er zurück an seinen Platz. Wie sehr sich die Stimmungen glichen. Das Ende und der Anfang. Mit ebendiesem grimmigen Humor hatte er sich auf den Weg begeben. Vielleicht, daß er damals eine Spur hoffnungsloser war. Nicht mehr als eine Spur.
Er warf den leeren Becher in eine Ecke. Mochte der Teufel das Wrack holen. Zum Fliegen war es nicht mehr zu gebrauchen.
    Entspannt lehnte er sich zurück und schloß die Augen. Wärme fächerte über seine Haut. Blinzelnd öffnete er die Lider. In der Decke klaffte ein Spalt. Dahinter das Wolkengrau war aufgerissen. Im Zenit stand rotgolden das Zentralgestirn. Ein Lufthauch trug fremde Gerüche herein, eine Witterung von heiterem Sommer, südländisch herb, ein Duft wie nach Bologneser Tomatensuppe und frischen Zitronen.
    Ob sein Weg originell gewesen war, mochte umstritten sein. Aber er hatte ihn zum Erfolg geführt. Die Erinnerung erheiterte ihn noch immer… Sie war zwanzig und dementsprechend kokett. Auf den ersten Blick entdeckte er eine unzüchtige Gelenkigkeit an ihr. Geübt bemerkte sie sein Interesse, weil Männer sie meist auf diese Weise ansahen. Aber Redcroft war Kommandant! Und wenngleich sie wußte, daß es der Besatzung strengstens verboten war, andere als gesellschaftliche Beziehungen zu Passagieren zu pflegen, wechselte sie im Beisein ihrer Dienstreisekolleginnen unverschämt vertrauliche Blicke mit ihm. Er forschte nie danach, wer von seinen Offizieren ihn angeschwärzt hatte. In der Basis sprach man ihm eine Verwarnung aus.
    Die zweite war eine moderne, selbstbewußte Frau, die es an sich schätzte, keine Art von Intimität vor anderen zu verbergen. Die Affäre kam noch vor seiner Rückkehr beim Stab der Interstellarflotte an. Ihm wurde eine strenge Rüge erteilt, verbunden mit der Warnung vor Degradierung und Versetzung. Er wußte, daß er sich auf dem richtigen Kurs befand.
    Als es dann soweit war, äußerten seine Vorgesetzten tiefempfundenes Bedauern, einen so fähigen und hoffnungsvollen Kommandanten im Interesse der Moral in der Flotte auf eine untergeordnete Route setzen zu müssen. Man sprach die Hoffnung aus, er werde sich bei der Beförderung von Erzen und Versorgungsgütern schnellstens bewähren. Es wurden all die Worte gebraucht, die augenzwinkerndes Verständnis hinter Dienstobliegenheit verbergen. Redcroft langweilte sich.
    Seine Freunde erklärten ihn für verrückt. Claire, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, distanzierte sich in aller Öffentlichkeit von ihm. Unter vier Augen erhob sie den Vorwurf, er habe sie seiner Wahnsinnsidee geopfert. Er bereitete sich auf einen herzzerreißenden Abschied vor. Aber hinter ihren allerletzten Zärtlichkeiten, mit denen sie sich zur Wehr setzte, hinter ihrer Ironie verbarg sich die Angst vor seiner unbegreiflichen Leidenschaft.
    »Hast du nicht alles, was du brauchst?« flüsterte sie, sich an ihn klammernd. »Was willst du nur? Du weißt es selbst nicht genau.« Sie redete von seiner Schuld und von ihrer Gemeinsamkeit. Sie beschuldigte ihn eines manischen Zerstörungstriebs. Doch schließlich fand sie sich bereit, alles zu entschuldigen. Er hielt das eine wie das andere für übertrieben. Er versuchte ihr klarzumachen, daß ihre Anwürfe eine Art von Eifersucht seien, auf das, was er sein wahrhaftiges Ziel nannte. Sie weinte nicht. Bevor sie ging, bemerkte sie: »Du schwimmst gegen den Strom. Ich kann dir nicht folgen, nicht für ein Hirngespinst.« Als sich die Tür hinter ihr schloß, zuckte er müde zusammen.
    Über die Wehmut half ihm die Hingabe an sein Vorhaben hinweg. Überraschend schnell gewöhnte er sich an seine neuen Lebensumstände. Während der Flüge mit dem vollautomatisierten Transporter blieb ihm noch mehr Zeit als früher für sich selbst. Er las viel und begann ein Tagebuch zu führen, in welchem er – wovor er sich immer gescheut hatte – seine intimsten Gedanken niederlegte. Unter der Schicht seines alltäglichen Denkens entdeckte er Unbekanntes, Geheimnisse, die ihn mit naivem Schauer erfüllten. Er sah in sich so viele Fähigkeiten und aus diesen Fähigkeiten Wünsche wachsen. Waren seine Wünsche unerfüllbar in einer menschlichen Gesellschaft? Das Abenteuer seines Lebens hatte begonnen. Abenteuer geschehen in der Einsamkeit. Werde ich einsam leben müssen? fragte er sich. Und wenn, antwortete er, und wenn.
    Fast ein Jahr lang flog er auf der neuen Route, bis ihn ein Auftrag in die Nähe einer

Weitere Kostenlose Bücher