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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Ziel. Ihre diffuse Weisheit glaubte an die Erkennbarkeit der Welt, aber sie war unfähig, ihre nächste Nähe zu erkennen. Redcroft hatte die verlorengegangene Weisheit wiederentdeckt. Sie half ihm, mit sich selbst konkret zu werden, und gab ihm die Kraft und den Raum für die nächstliegenden Fragen. Wer hatte die Stadt erbaut? Menschenähnliche. Wohin waren sie verschwunden? Sie waren sich selbst zum Opfer gefallen. Sollte das vor den Menschen verheimlicht werden?
    Redcroft starrte auf die unter ihm dahinziehende Landschaft der Stadt. Er begriff eine gewaltige, umfassende, alle durchdringende Einheit; keine Form, keine Linie existierte isoliert von dem übrigen. Alles war da durch das andere. Vor seinem Auge erstand ein Organismus aus Stein, in dessen Innerem Leben schlummerte. Des Wartens müde, hatte das Wesen die Augen geschlossen. Doch wie eine Form von Energie strömte die Erwartung aus seinen Bögen und Mauern, von Traversen und Sockeln, stieg auf aus jedem Trümmerstück. Wie geblendet schloß Redcroft die Lider. Erst nach geraumer Zeit zwang er sich aufzublicken. Er sah in eine von Wetterleuchten erhellte Nacht.
    In seinem Rücken, am Fuß des Gebirges, tobten gewaltige Blitze. Eine Sekunde lang war Ruhe. Dann stieg unvermittelt an der Stelle, wo das Raumschiff liegen mußte, ein düster glosender Pilz aus der Dunkelheit. Ein Donnerschlag erreichte sein Ohr. Reglos sah er die Hände auf den Steuerarmaturen liegen. Es war für jede Reaktion zu spät. Der Treibstoff für die Atmosphärenmanöver mußte initial gezündet worden sein. Es gab keine andere Deutung. Energosaurier hatten offenbar, Nahrung witternd, das Wrack angegriffen. Die Roboter leisteten mit ihren Strahlern Widerstand. Sie wußten nicht, daß sie die Ungeheuer mit jedem Schuß fütterten. Er preßte die Lippen zusammen. Das Ende war ein konsequentes Ende. Sollte er seinen Leichtsinn verfluchen? Der Verlust war beunruhigend, aber nicht tödlich. Langsam löste sich sein Körper aus der Erstarrung, seine Gedanken wurden ihm wieder bewußt. Er mußte zur Kenntnis nehmen, daß das Raumschiff, die unter seiner Führung uneinnehmbare Festung, nicht mehr existierte, gleichgültig, ob er sich Leichtsinn vorwarf oder es Spontanität nannte: Er fühlte sich von allem frei, frei von der Verantwortung um seine Zukunft. Er fühlte sich frei von dem Zwang, sein Überleben zu planen, zu rechnen, zu kalkulieren und vermittels des Ky Chancen zu optimieren. Einer Eingebung folgend, war er losgeflogen, und er genoß noch immer dieses glückhafte Empfinden, das in dunkler, unverständlicher Fülle in ihm wucherte. Während er dem flammendurchzuckten Rauchpilz nachsah, nickte er sich selbst zu. Einmal im Leben durfte einem Neugier einen Streich spielen, und einmal im Leben durfte man sich mit vollem Bewußtsein etwas vorgaukeln. Soviel war erlaubt.
    Wenigstens schien die Frage der Ernährung lösbar zu sein. Nun ja, der Treibstoff des Gleiters reichte lange, wenn auch nicht bis in alle Ewigkeit. Er mußte einen sicheren Ort finden, an welchem er die Nächte überstand. Unter allen Umständen mußte es ihm im Verlauf des nächsten Tages gelingen, einen festverschließbaren Raum zu entdecken, dessen Wände nicht leiteten. Vielleicht eine Höhle.
    Der Feuerpilz sank in sich zusammen; er fühlte sich erschöpft. Er mußte jetzt schlafen. Ein ganzer langer Hammurapitag lag vor ihm, tausend Möglichkeiten, seinen Auftrag zu erfüllen. Das Glück hatte ihn noch nicht verlassen.
Vom Autopiloten gesteuert, zog die Flugmaschine langsame Kreise über der toten Stadt.
    Erst als Redcroft in der Koje lag, bemerkte er, wie sehr seine Glieder schmerzten. So nah am Ziel, seufzte er erschöpft, aber glücklich und schlief ein mit dem Gedanken an Claire.
    Es weckten ihn nicht die helle Morgenröte noch heranjagende Stöße des Windes. Er erwachte einfach, weil er ausgeschlafen hatte. Soeben schob sich in der Ferne der Ebene ein grauer, faseriger Streifen über den Horizont.
    Während des Frühstücks dachte er daran, daß die Reserven kontrolliert werden müßten. Viel fand er nicht vor: einige Liter Wasser, die er mit Hilfe der Entseuchungsanlage beliebig vermehren konnte, sowie sieben Tagesrationen. Er verfügte über ein Atemgerät, einen Handstrahler, einen leichten und einen schweren Schutzanzug. Die Ausrüstung mochte lächerlich anmuten, er aber kam sich wie ein Gigant vor. Was für ein Gefühl, mit leeren Händen einer Welt den Kampf anzusagen. Eine wölfische

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