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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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würde nie mehr einsam sein. Er wird mir helfen, dachte Redcroft. Er ist klüger, kühner, stärker als ich. Er kennt nicht meine Ängste, die immer ein Glück bemühen mußten, für mich. Ein wenig beneidete er ihn um die Vollkommenheit seines Daseins.
    Er verließ den Treppenschacht außer Atem. Würden sie sich wie alte Freunde gegenübertreten und sich unter herzlichen Umarmungen begrüßen oder förmlich? So lange er zurückdenken konnte, wünschte er sich jemanden, dem er seine Wünsche und Sehnsüchte anvertrauen konnte, jemanden, der nicht fragte, ob das Glück verboten sei oder erlaubt. Wahrheit, hatte der Sekretär geäußert. Es gibt keine Wahrheit an sich. Es gibt Gesichtspunkte, Aspekte, Modelle, hatte er als äußerstes Zugeständnis mit erhobenem Finger noch hinzugefügt.
    In erregten Atemstößen lachte Redcroft. Sie beide würden eine Wahrheit mitbringen. Der lebende Beweis war sein Zwilling. Als Dank würde er ihm helfen, sein Dasein zu ertragen. Sie würden einander brauchen. Das war keine Frage. Einer ohne den andern war zum Untergang verurteilt. Mit kurios verspielt wirkenden Schritten eilte er dem Ausgang zu. Den Blitz registrierte er noch. Mehr als Empfindung denn als klarer Gedanke erlosch in ihm die Ahnung, sein Ende sei der Abschluß einer unendlich langen Geschichte.
    Redcroft stieß den Strahler ins Futteral zurück. Was für ein Narr. Der Bessere von beiden hatte ein Recht zu überleben, und nur für einen von ihnen hatte die Welt Platz.
    Leichter Wind trieb den Dunst auseinander. An der Mauer zeichnete sich eine rauchschwarze Silhouette ab. Der Energiestrahl hatte, die Kante streifend, das Metall des Türflügels getroffen. Von dort zogen Schwaden ins Innere des Gebäudes. Die Arbeit des unbekannten Meisters war bis zur Unkenntlichkeit zerschmolzen. Einen Moment lang wartete er, dann war die ärgste Hitze verflogen. Nur eine kleine Stelle strahlte noch tiefrot von innerer Glut. Die Form der Fußabdrücke erlosch, und im Straßenbelag blieb ein schwarzer, glasiger Fleck.
    Redcroft betrat Narjotaahs Tempel. Es durfte neben ihm keinen zweiten geben. Redcroft hatte der Zufall hierhergeführt und sein unermeßlicher Eigensinn, sein Zweifel und seine Angst, ein sinnloses Leben gelebt zu haben.
    Während er die Treppe abwärts stieg, drängten sich Sorgen vor die Erwartung. Er mußte mit Redcrofts Vergangenheit fertig werden. Er mußte ein neues Leben beginnen. Würde man ihm glauben, daß er nicht verantwortlich war für das, was Redcroft angerichtet hatte? Redcroft hatte gefehlt, Redcroft traf Schuld. Er war tatsächlich krank gewesen. Nun erfüllte ihn ein nie gekanntes Selbstbewußtsein. Er begriff seine neuen Fähigkeiten, und es drängte ihn, sie auszuprobieren. Es erwartete ihn die Erde, eine Frau wie Claire und die Kragenspiegel des Flottillenchefs. Armer Narr, dachte er. Das alles hast du weggeworfen, um eine unbekannte Geschichte zu deiner Wahrheit umzumünzen, zu einer Wahrheit, die keiner braucht. Ich werde schweigen und überleben. Ich werde dich noch oft überleben.

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    Zuerst war da nur ein großes Nichts, dann versank er in eine Art Dämmerzustand. Das Bewußtsein entglitt ihm immer wieder, obwohl ein Gedanke bereits hartnäckig in ihm bohrte und die anderen, noch schlafenden Abschnitte seines Hirns zu wecken suchte. Dieser Gedanke war der Befehl, zu sich zu kommen. Mit einem Rest des Bewußtseins klammerte er sich an diesen Gedanken wie an einen rettenden Strohhalm. Einen Augenblick lang war sein Bewußtsein von einem Pfeifen und Dröhnen erfüllt, das jedoch nicht lange anhielt. Danach trat hallende Stille ein, und er kam endgültig zu sich.
    Er lag unter einer durchsichtigen Haube, die sich hob und beiseite rückte, sobald er die Besinnung wiedererlangte. So blieb er noch etwa eine Minute liegen, während er spürte, wie sich die Muskeln seines Körpers strafften und sein Gedächtnis die vergangenen Ereignisse zu rekonstruieren begann, bis es sich all das vergegenwärtigt hatte, was in seiner Situation von Belang war. Darauf sprang er leichtfüßig von der Empore. Nun erinnerte er sich an alles. Ihm war klar, daß das Wiederbelebungssystem irgendwo einen Fehler aufwies. Diesen unangenehmen Augenblick des Übergangs zum Leben hätte er nicht spüren dürfen.
    Wie mag es bei den Kindern aussehen? dachte er. Ihre Kabine befand sich nebenan. Während er auf die Tür des Navigationszentrums zuging, überflog er mit einem Blick sämtliche

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