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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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vollkommen unzusammenhängende Bewegungen zum Ausdruck gebracht werden konnte.
    Wie die Gedanken eines Kindes, sagte er sich dann, und sein entmutigter Blick glitt die gemordete Straße entlang. Der Wirbelwind bohrte sich in die Ascheschicht hinein. Wieder erstarrte alles unter dem blauen Himmel, und er zog weiter zwischen den so vertrauten Reihen der ausgeglühten Wände, in denen sich schwarze Fensterrahmen und Türen aufgedunsen wie die Leiber von Ertrunkenen wanden. Das Holz schien innen wie von übler Hefe zerfressen zu sein, doch kam die dunkle Hefe von außen. Das Holz konnte nichts dafür, man hätte alles daraus machen können.
    Hier hatte sich der Marktplatz befunden. Das Chaos mittendrin, ein Reiter, an dessen erstarrtem Galopp sich die Jahrhunderte abgeschliffen hatten. Eine Routineangelegenheit, sagte er sich, er hatte sie während der Praktikumswochen unzählige Male erledigt, und die einzige Neuheit bestand in der Tatsache, daß er sein Studium abgeschlossen und den ersten Auftrag bekommen hatte. Warum fühlte er sich in Unruhe versetzt? Wie auf der Suche nach einer Antwort betrachtete er der Reihe nach die monumentalen Gebäude, die den Platz einschlossen.
    Die steinernen Männer und Frauen, die den Marktplatz von der Höhe der Giebel aus in einer hehren Abfolge von Allegorien beherrschten, hielten starrsinnig an ihren Illusionen fest, an den Illusionen derjenigen, die Allegorien in einer Zeit erdichtet hatten, die noch an Allegorien festhielt. Die Zeit und ihre Illusionen waren verschwunden, doch der Stein hatte überdauert. Schließlich irrte er sich vielleicht nicht einmal.
    Er stieg die breite Treppe hinauf und machte einen Bogen um den geknickten menschlichen Schatten, der wie ein Läufer auf den Stufen ausgebreitet lag. Die offenen Türen hingen windschief in den Angeln, Staub und Asche waren in die massiven Wände eingedrungen und umgaben die Füße der Marmorsäulen. Mit gleichmäßigen, von einem merkwürdigen Staunen gebotenen Bewegungen, deren Zweck er nicht verstand, nahm er seinen Tornister ab, legte ihn auf die tote Schicht und schickte sich an, wie gewöhnlich die Nacht vorher, die letzte Nacht zurückzuholen. Er vernahm seinen Atem. Er stellte die Kontakte her. Das bekannte Signal destillierte die Warntöne. Dann stieß er mit der Nadel zu und fand sich in einer Finsternis wieder, die er sofort als andersartig wahrnahm. Jedoch nicht durch das fehlende Licht. Obwohl er sie erwartete, fuhr er zusammen, als er die Töne des Lebens vernahm, er stürzte unwillkürlich direkt auf ein Fenster zu und ging unvorsichtigerweise an dem eingenickten Pförtner vorbei, der ebenfalls in seiner Loge aufgetaucht war.
    Der Marktplatz war von glühenden Kugeln erleuchtet, und der im Galopp erstarrte Reiter sah wie vergoldet aus. Grelle Lichter flammten plötzlich auf und erloschen an den Fassaden der Gebäude. Bunte Fahrzeuge fuhren hin und her und brummten kurz. Was ihn jedoch wirklich verwirrte, war die Menschenmenge, die sich über den Platz bewegte. Sie gingen, redeten, lachten und gestikulierten unter seinen Augen, ohne eine Ahnung dessen zu zeigen, was sie tags darauf erwartete; sie erlaubten ihm, bei ihnen eine längst vergangene Zeit zu verbringen, eine Zeit, die für ihn nicht existierte. Es war eine gestohlene, eine von den Toten auferstandene Zeit, die fremde Zeit einer fremden Welt, und alles sah aus wie eines der Schauspiele, die er so oft an der Universität gesehen hatte. Alles war unwiederbringlich gewesen und konnte nicht mehr sein.
    Das letzte Mal hatte er auf dem vom Wasser überfluteten und heimgesuchten kleinen Planeten Arhaura, während die künstlich wieder zum Leben erweckten Leute in einem verzweifelten Kampf gegen das Wasser standen, an der Seite der Kollegen des Interventionsinstituts die vergeblichen Bemühungen verdammter Menschen verfolgt, die sich bis zum letzten Augenblick an die Hoffnung klammerten, daß die in fieberhafter Eile errichteten Deiche halten würden. Damals hatte er miterlebt, wie sich die verdammte Menschheit abgequält hatte, und obwohl es ihnen unvorstellbar schwergefallen war, denjenigen, die unter ihren Blicken in die tosenden schwarzen Wasser stürzten, nicht zu Hilfe zu eilen, obwohl sich der Professor genötigt sah, sie an das Gesetz zu erinnern, das einen derart massiven Eingriff in die Vergangenheit verbot, da er Quelle zeitlicher Komplikationen mit unabsehbaren Folgen wäre, fügte sich alles in die bekannte tragische Ordnung. Jetzt jedoch kam ihm

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