Lichtspruch nach Tau
hatte.
»Trotzdem ist es seltsam…«
»… daß ich Kunstwerke bewundere? Ich werde dir ein Geheimnis verraten. Ich glaube doch, daß mir die lebenden Kunstwerke besser gefallen.«
Schließlich erwiderte sie sein gequältes Lächeln mit einem Lachen. Wie bekannt kam ihm das alles vor!
»Na gut, nächtlicher Verehrer, du wirst mit mir rausgehen, und zwar sofort.«
»Ja? Sag mal, sind die Mädchen, die nachts unverhofft in Museen auftauchen, immer so streng?«
»Du bist ja witzig«, sagte sie lachend. »Du bildest dir wohl tatsächlich ein, daß ich erklären muß, weshalb ich hier bin?«
»Warum denn nicht? Vielleicht bin ich zur Kontrolle hier… Zum Beispiel, um zu sehen, wie die Alarmsysteme funktionieren.«
»Na, funktionieren sie etwa nicht?« fragte sie wieder beunruhigt.
»Nein. Was sagst du nun dazu?«
»Ich glaube es nicht«, flüsterte das Mädchen.
Sie sah mit einemmal zart aus, und die Blässe strafte ihre Worte Lügen, jedoch wurden ihre Augen größer, und Stel verdrängte den Gedanken, daß am nächsten Tag, in einigen Stunden…
»Ich werde dir etwas demonstrieren«, sagte er.
Er richtete das Ende des Übertragungsgerätes auf die Statue in der Mitte des Zimmers und löste den Knopf aus. Das Mädchen stieß einen Schrei aus, als der Mann aus Marmor verschwand, der eben noch so stolz dagestanden hatte.
»Was… was ist das?«
»Genau das, was ich dir sagte«, meinte Stel und zwang sich, den bisherigen Ton beizubehalten. »Hast du etwa das Alarmsignal gehört?«
»Und die Statue!« rief sie. »Wo ist sie?«
Und er hatte sich für wer weiß wie geschickt gehalten, als er das Alarmsystem erwähnte, das er bei der Installation des Übertragungsgerätes demontiert hatte.
»Beruhige dich«, sprach er so überzeugend wie möglich. »Kann es sein, daß du noch nichts von der neuen Methode gehört hast, mit der die Alarmsysteme überprüft werden?«
»Nein, ich habe noch nichts davon gehört, und es interessiert mich auch nicht. Aber die Statue! Wo ist denn die Statue?«
»Ein erschrockenes kleines Mädchen«, sagte er, um Zeit zu gewinnen, da er nicht mehr wußte, was er sagen sollte. »Und wie kindlich…«
Er dachte fieberhaft nach, um etwas auszutüfteln. Eigentlich hätte er sich wirklich nicht länger aufhalten dürfen: die Sammlung des Museums war in Sicherheit gebracht, der Auftrag erfüllt. Es hieß also nur noch einmal den Zeitfluß zu beschleunigen, um das Übertragungsgerät wiederzubekommen, doch die einfache Bewegung, mit der er die Nadel in das Zeitzifferblatt drücken würde, bedeutete die Tötung derjenigen, die sich an seinen Ärmel geklammert hatte und nun schnell und mit abgehackter Stimme sagte: »Ich lasse dich nicht mehr weg! Wer bist du? Wo ist der Olympier?«
»Ah, der Olympier war es«, sagte er und hatte keine Ahnung, von wem sie sprach, war aber froh, daß sie ihm wieder eine Möglichkeit gegeben hatte, Worte aneinanderzureihen, denn er wußte, daß er sie nur durch dauerndes Reden beruhigen konnte, wie er es mit Tieren oder Kindern tat. »Hast du Angst um ihn? Du Dummchen… Der Olympier ist jetzt in Sicherheit, dort, wo ihn kein Räuber mehr finden kann. Er ist immer noch so stolz wie vorher und fragt sich, weshalb wir uns nicht mit dem Alarmsystem befassen… das nicht funktioniert. Und das ist nicht gut. Bei einem Alarmsystem müssen alle Glocken schrillen, nicht wahr? Komm, wir sehen nach, was los ist, und bringen es wieder in Ordnung. Die Klingeln werden wieder schrillen, wir hören ein Weilchen zu, dann gehen wir nach Hause. Es ist schon spät geworden, und wir wollen ja auch mal schlafen gehen und träumen…«
Die Stimme versagte ihm. Alles wird zu Asche werden, die Träume und das Mädchen an seiner Seite, das ihn jetzt mit aufgerissenen Augen anblickte und flüsternd fragte: »Wer bist du?«
Er holte tief Luft und zwang sich zu lächeln, ein schwaches, nur angedeutetes Lächeln, das im Gegensatz zu sämtlichen Gesetzen des Universums stand.
»Ich glaube, ich habe es dir doch ein paarmal gesagt…«
»Nein«, meinte sie beharrlich, »sei still… ich wollte fragen: Wer bist du in Wirklichkeit? Was bedeutet das alles? Du siehst, ich habe mich beruhigt. Bitte verzeih wegen der Szene eben.«
»Ich muß dich um Verzeihung bitten. Ich habe dir einen Schreck eingejagt.«
»Ja.«
»Es tut mir leid. Aber jetzt hast du keine Angst mehr.«
»Doch.«
»Nein. Der beste Beweis ist doch wohl, daß wir wie zwei Freunde miteinander reden… Obwohl ich nicht einmal weiß, wie du
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