Lichtspruch nach Tau
Quadratmetern hatte die schwarze Ascheschicht einem lockeren Teppich schlanker, grasähnlicher Halme Platz gemacht.
Maria Arbot ließ sich auf die Knie nieder, um die zarten Pflänzchen näher zu betrachten. Behutsam riß sie eines aus.
»Es ist also wahr«, flüsterte die Biologin.
Sie erhob sich und schaute über die Ebene. Diese erinnerte an ein gigantisches Schachbrett, mit grünen anstatt weißen Feldern. Weit am Rande erhob sich das in der Morgensonne funkelnde Sternenschiff. Ein König im Matt.
»Na? Zufrieden?« wollte Girotti wissen. Als niemand antwortete, fuhr er fort: »Wir müssen bald etwas dagegen unternehmen, sonst wächst die Ebene zu, und wir können uns nicht mehr vom Fleck rühren.«
»Gar nichts werden wir tun!« herrschte ihn Arbot unvermittelt an.
»Aber warum nicht?«
»Darum!« Arbot hielt dem ROD-Flieger das grüne Pflänzchen unter die Nase. »Kapiert? Nein? Dann laß es bleiben.« Sie wandte sich abrupt um und stapfte zurück ins Lager.
Cruz und Iven schlossen sich ihr an, nur Keßler blieb.
»Nimm es nicht persönlich«, tröstete er den verdatterten Girotti. »Du mußt wissen, daß Maria eine von den wenigen war, die sich gegen die Bombe gesträubt haben. Fricsay brannte die Ebene dennoch aus. Und nun, sieh!« Er deutete auf die grünen Flecken. Am Rande der Ebene schienen sie bereits zu verschmelzen. »Die Wunde wird wieder geschlossen, das Indiz vernichtet.«
»Was soll’s? Der Dschungel kann sich getrost noch ein paar Tage oder Wochen gedulden. Fricsay wird einen Weg finden, den Wald ein zweites Mal hinwegzufegen.«
Keßler schaute Girotti sehr lange an. Dann sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken: »Zwischen Arthur Josh Fricsay und dem Dschungel werden viele Menschen stehen. Arbot, Cruz, Maxwell. Auch Vinfield. Und ich.«
Girotti schluckte schwer.
Ins Lager zurückgekehrt, erwartete sie eine neue Überraschung: Auf Lohburgers Handrücken hockte ein riesiger, blau schillernder Schmetterling und breitete graziös seine Flügel aus, als wollte er sich im ersten Sonnenlicht wärmen. Lohburger lief ungeheuer stolz im ganzen Lager herum und zeigte das Tier. »Wunderschön, nicht wahr? Wunderschön!« wiederholte er ständig und sichtlich gerührt von der fremden und zugleich vertrauten Harmonie.
Plötzlich rief jemand: »Hier ist noch einer!«
Dutzende Augenpaare suchten den Himmel, die Zelte und die Holzbänkchen ab.
»Hier auch!«
»Und hier!«
»Da! Ein ganzer Schwarm!«
»Herrlich!«
»Fangt sie! Fangt sie doch!« rief Cruz immerzu.
Eine tolle Jagd begann. Der schmierige Boden machte alles noch verrückter.
Endlich hielt auch Maria Arbot einen Schmetterling in den Händen. Sie hatte eine lange, spitze Pinzette gezückt und untersuchte das Tier mit geübten Griffen.
»Hexapodie, Ommatiden…« sprach sie zu sich selbst. »Ein Insekt, ohne Zweifel, merkwürdig…«
Unvermittelt schrie sie gellend auf und schleuderte den Schmetterling, mit dem sie sich eben noch hingebungsvoll beschäftigt hatte, voller Abscheu zu Boden und trampelte so lange auf ihn herum, bis die dunkle Asche den letzten Schimmer der blauen Flügel verschlungen hatte. Und Maria schrie und schrie…
»Zurück ins Schiff! Ins Schiff…«
Niemand verstand. Niemand war zu einem klaren Gedanken fähig. Und Maria Arbot war nicht fähig zu erklären; sie bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen und taumelte durch die Zeltgassen.
»Sie sind es. Sie. Sie«, wimmerte sie leise.
Und dann begann das Grauen.
Lohburger brüllte plötzlich schmerzgepeinigt. »Die Kreatur hat mich gestochen!« tobte er und schlug seinen Schmetterling zu flimmerndem Staub. Dann wurde er ohnmächtig. Jemand sprang hinzu, um den dicken Navigator zu stützen. Gemeinsam fielen sie in den Schlamm.
»Den Wagen, schnell, schnell!«
»Alles stehen- und liegenlassen! Sofort zur RENIUS!«
»Ah – ah!«
Girotti lief über den Platz, verfolgt von einem Schwarm schillernder Harpyien. Der Himmel begann zu orgeln, er spie das blaue Verderben aus.
»Wo ist der Wagen?«
»Kommandant! Kommandant!«
»Er ist im Schiff… Da! Girotti!«
»Zwei Mann hierher!«
Panik. Die Frauen und Männer verließen fluchtartig das Lager, rutschten aus, fielen hin, rappelten sich hoch. Ohnmächtige brachen zusammen, mußten gestützt werden.
Die RENIUS schien unerreichbar fern.
Und das Heulen wurde zu einem Orkan. Tausende Schmetterlinge regneten auf die durch den Schlamm stolpernden Menschen herab. Aus den Hinterleibern der Tiere ragte ein zentimeterlanger Stachel.
»Meine Fotos…
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