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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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mit frischem Appetit auf das Leben, das für einige Wochen vor ihm ausgerollt liegt, bereit, augenblicks die Zähne hineinzuhauen. Alte Damen und Kinder lieben ihn. Man hat beobachtet, wie kleine watschelnde Dackel ihm folgen, unfähig, etwas anderes zu sehen als dieses freundliche Menschenkind, dessen Persönlichkeit sie verblendet hatte. Männer mittleren Alters klopfen ihm auf die Schulter und laden ihn zu einem Schnäpschen ein (er sagt niemals nein). Frischvermählte halten ihn für den Weihnachtsmann – jedenfalls so lange, bis sein wirkliches Ich sich entpuppt. Das ist er, Harry, dessen Nachnamen allein die Polizei weiß. Er ist der schlimmste Gauner von allen.
    Harry hat sein Büro in einer baufälligen Holzbude in der Södermannagata, und wenn man bedenkt, wie er vor seinen Kunden zu prahlen pflegt, könnte man sich natürlich fragen, weshalb ein Wohnungsagent nicht imstande sein sollte, sich ein ordentliches Büro zuzulegen. Er selbst behauptet, daß das Haus gut und gerne seine dreihundert Jahre alt sei (was ja wahr ist) und daß er mit seinem starken Sinn für Tradition niemals daraus ausziehen würde (was eine herzzerreißende Lüge ist). Harry kann gar keine Wohnungen besorgen, nicht einmal eine für sich selbst. Das ist es. Betrachten Sie Harry nur ein wenig genauer. Schauen Sie, wie er jedesmal erbleicht, wenn ein Polizist vorbeikommt. Sehen Sie, wie der kecke Schnurrbart traurig herabhängt, und das, obwohl man seine gespickte Brieftasche schon von weitem erkennen kann. Harry ist ein gehetzter Mann. Trübselig schaut er drein. Die Welt um ihn herum zeigt sich grau in grau. Er leidet. Sie sollen gleich erfahren, weshalb.
    Es begann eines Abends, als er den Tip von einem leerstehenden Haus in der Svartensgata bekam. Der Tip kostete ihn zwanzig Kronen und ein Pilsner. Das war er wert. Als sich die Dämmerung über Söder senkte, kam Harry die Svartensgata heraufgaloppiert und blieb völlig ausgepumpt vor einem zweistöckigen Holzhaus am höchsten Punkt der Straße stehen. Er lehnte sich gegen die Haustür. Er wischte den Schweiß von der Stirn. Er ächzte. Dann kramte er die Schlüssel hervor und ging hinein. Im Parterre befanden sich zwei Wohnungen. Er betrat die erste, stolperte über eine magere Katze, stieß gegen einen Türpfosten und fand, er könne zufrieden sein.
    »Dreitausend«, sagte er zu der Katze, die ihn mißtrauisch betrachtete. Die Katze miaute.
»… in Zeiten wie diesen«, sagte Harry. Er lief in ein Spinnennetz und befreite nachdenklich sein Gesicht von den hauchdünnen Fäden. »Mit dieser Alterspatina«, murmelte er, »Tradition, Alter…« Er betrat die nächste Wohnung. Sie war dunkel und kalt und unbeschreiblich schmutzig, offenbar pflegten sich unsichere Elemente hier aufzuhalten. »Hell und luftig«, bemerkte er. »Nur ein paar Gardinen, dann…« Er stieß gegen eine leere Flasche, die klirrend in eine Ecke rollte. »Tradition!« wiederholte er zufrieden. »Viertausend.« Er stieg die knarrende Treppe zum ersten Stock hinauf und repetierte für sich selbst den Preis, an dem er seinen Kunden gegenüber festhalten wollte.
»Ein altes Haus«, sagte er. »Sehr alt sogar. Tradition, verstehen Sie, im Überfluß. Vier Wohnungen im Haus, gerade richtig, kein Gedränge, genau die richtige Gemeinschaft. Im Stadtzentrum, und nur viertausend… meine Unkosten, verstehen Sie… teure Zeiten… viele wollen so etwas haben – Sie verstehen!«
Er summte vergnügt vor sich hin. Sie pflegten zu verstehen.
    Im ersten Stock war es heller, aber noch schmutziger. Vorsichtig stieg er über ein paar alte, zerschlissene Matratzen und einen verdreckten Mantel hinweg und schaute aus dem Fenster. Drunten lag finster und kalt die Svartensgata.
    »Fünftausend«, sagte er. Er ging im Zimmer umher und sah sich um. Er spürte, wie ihm ein Wassertropfen auf den Kopf fiel. Er sah auf und gewahrte, daß es draußen regnete. »Viertausendfünfhundert«, korrigierte er sich. Nachdem er die vierte Wohnung auf sechstausend Kronen geschätzt hatte, stieg er die knarrende Treppe hinab, warf die magere Katze hinaus und ging heim in die Södermannagata. Vergnügt summte er vor sich hin. Harry hatte eine Bruchbude gefunden. Harry war zufrieden.
    Tags darauf erschienen drei Södertypen und räumten im Haus auf. Harry kam im Laufe des Tages herauf, bezahlte sie und konstatierte betrübt, daß sie mit dem Plunder zusammen sämtliche Kachelofentüren und ein paar schöne Kupferstiche auch gleich mit aufgeräumt hatten.

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