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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Denn Harry war ja Schwindler, nicht wahr? Ein guter Schwindler überdies. Er hat seine Chance nicht verpaßt. Nein, er folgte der Katze in den Spiegel, direkt hinein, wenn es auch zunächst nicht den Anschein hatte, ganz wie Alice im Spiegelland. Anfangs mit einer gewissen Unschlüssigkeit, dann mutig mit durchgedrückter Brust und Entschlossenheit im Blick. Er stellte fest, daß der Raum mit einem Fenster versehen war, guckte hinaus und entdeckte, daß sich draußen die Svartensgata befand. Sorglos schlenderte ein Polizist vorbei, irgendwie verschwommen. Harry heftete die Augen fest auf den Polizisten. Er blieb verschwommen. Harry drehte sich voller Abscheu um und ging auf den Kachelofen zu, der selbst bei näherem Hinsehen noch ein Kachelofen blieb, wenn auch hier und da seltsam verdreht.
    Er drang weiter in die Spiegelwohnung ein. Er gelangte in einen Korridor, ähnlich dem, der sich im Haus befand, aber bedeutend länger und mit bedeutend mehr Türen. Er betrat die Räume hinter diesen Türen, schaute aus den Fenstern und stellte fest, daß sie sämtlich auf ein und dieselbe Stelle der Svartensgata hinausgingen.
    Es wunderte ihn nicht. Gar nichts mehr wunderte ihn. Er stolperte zurück in die Welt, die er als die normale zu betrachten gewohnt war, dicht hinter ihm eine leicht verwirrte Katze. Draußen vor dem Spiegel, der nun nicht mehr so sehr einem Spiegel glich, sondern vielmehr einer ungewöhnlich reichverzierten Türöffnung mit hoher Schwelle, blieb er stehen und überdachte die Situation. Er hatte einen Spiegel gekauft und ihn aufgestellt. Er hatte ein Ornament beiseite gebogen, und das Spiegelbild war zu einer leibhaftigen dreidimensionalen Wirklichkeit geworden. Ein wenig verzerrt, gewiß, aber jeder Spiegel hat seine kleinen Defekte. Er starrte in den Spiegel, und plötzlich stürzte die Idee auf ihn nieder wie eine Tonne Ziegelsteine. Sein Blick wurde glasig. Seine Brust hob und senkte sich. Er atmete schwer.
    »Herrdumeinbarmherzigerschöpfer!« sagte er. »Götterrosenrotermillionenmillionenhoherhimmel!« Einen Augenblick darauf polterte er die Treppe hinab und machte sich auf den Weg zur Södermannagata. Sein Kopf war angefüllt mit wunderschönen Zahlen, die mit jeder Sekunde größer wurden.
    »Himmel!« sagte er. »Himmel!« Er galoppierte unmittelbar vor einem Autofahrer über die Högberggata, doch er schien ihn nicht zu bemerken. Er sah Geld vor sich, mehr Geld, als er jemals in der Welt für existent gehalten hatte. Harry hatte seine Idee gefunden.
    Nun können wir uns ja denken, wie es weiterging: Er vermietete die Wohnungen im Spiegel. Binnen zweier Tage hatte er die Sechstausendkronenwohnung in eine Diele verwandelt, sich selbst im Parterre als Portier niedergelassen, und nun war er vollauf damit beschäftigt, in die Schlange der Wohnungssuchenden Ordnung zu bringen. Alle fanden Platz, alle waren zufrieden, und alle hatten genau dieselbe leicht verschwommene Aussicht auf die Svartensgata, ein Faktum, das anfangs ein gewisses Befremden erregte, bald aber in Vergessenheit geriet. Alte Häuser sind nun einmal so merkwürdig gebaut. Harry allein wußte, wie die Dinge eigentlich lagen, und er schwieg stille.
    Einige Mieter beklagten sich und wollten die Türöffnung verbreitert haben, Harry aber wies auf die Tradition, seinen unverwüstlichen Waffenbruder, hin und beließ den Spiegel in unveränderter Gestalt. Er nahm traumhaft hohe Mieten ein, kaufte das Haus und fühlte sich wie ein hartgesottener Gangster, der sich endlich zur Ruhe setzen darf. Das konnte er sich freilich leisten. Er hatte reichlich fünfzig Familien in den Spiegelwohnungen untergebracht, und immer noch war Platz.
    Der Spiegel hatte wahrhaftig seine Defekte, doch sie wirkten sich alle zu Harrys Vorteil aus. Und der Gedanke daran war schwindelerregend. Sicherlich gab es bisweilen unerklärliche Vorkommnisse, zum Beispiel schlug ein unvorsichtiger Mieter eine Fensterscheibe entzwei, und augenblicks zeigte sich ein gleiches Loch in allen anderen Fenstern; aber so etwas nahm man mit Ruhe hin. Wohnungen sind ja so schwer zu bekommen. Auch die Kachelöfen zeigten eine unbehagliche Fähigkeit, dann und wann mit heftig brennendem Holz vollgestopft zu sein, ohne daß jemand Feuer gemacht hätte. Und einmal mußte Harry ein völlig schemenhaftes Katzenvieh verschwinden lassen, das den langen Korridor entlanggeschlichen kam; aber im großen und ganzen herrschte Frieden und Freude. Er vernagelte die Außentür des Spiegelhauses und wies

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