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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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sie nur noch mit den Zehenspitzen den Boden berührte und keinen Hebel ansetzen konnte. Sie spürte den Druck seiner Rippen im Rücken, roch Schweiß und billiges Rasierwasser. Sie konzentrierte sich, versuchte in Lehrbuchmanier ihre Füße anzuspannen und ihn umzuwerfen.
    Kintz lachte. »Ist das alles, was Sie draufhaben, Major?« Er war starr wie ein Fels hinter ihr. Oder besser: starr wie Keramstahl.
    Während des Kampfs hatte der Adrenalinpegel schon einige Male ihre Implantate aktiviert, und sie hatte sie jedes Mal gleich wieder ausgeschaltet. Jetzt setzte sie ihre Implantate in Gang und ließ ihnen freien Lauf. Sie wand sich, spannte die Muskeln an und beanspruchte Sehnen und Bänder bis fast zum Zerreißen. Nichts rührte sich. Er hatte sie fest im Griff, und selbst wenn sie ihre Implantate soweit ausreizte, wie sie es überhaupt riskieren konnte, war er einfach stärker als sie.
    »Die Friedenstruppen drillen ihre Leute nicht mehr so wie früher«, sagte Kintz. »Oder vielleicht sind Sie einfach über Ihren Zenit hinaus.«

    Er verdrehte ihren Arm, bis ihre Knie nachgaben und sie nur noch einen blutroten Tunnel vor Augen hatte.
    »Ich weiß, was du bist«, flüsterte er, und sie spürte seinen heißen Atem im Ohr. »Ich kann mir solche Halbblutschlampen wie dich in jedem Bordell in Helena kaufen. Wir sind hier nicht auf Gilead. Hier hast du keine Armee im Rücken. Und ich werde dir zeigen, was es bedeutet, wenn du deine dreckige Nase in die Angelegenheit anderer Leute steckst.«
    Aufgepeitscht von der starken Adrenalindosis, die ihre Implantate durch ihre Adern jagten, war sie zuerst versucht, sich zu wehren. Dann dachte sie noch einmal darüber nach und lachte fast über diese lächerliche kindische Situation. Wozu denn das Ganze? Welchen Sinn hatte es, sich selbst schweren Schaden zuzufügen, nur damit Kintz hinterher nicht herumposaunen konnte, dass er sie auf der Übungsmatte geschlagen hatte? Sie zwang sich loszulassen und wartete ab.
    In gewisser Weise funktionierte es.
    »Dummes Miststück«, knurrte Kintz. Er ließ ihren Arm los, stellte ihr aber ein Bein, und beinahe wäre sie der Länge nach auf den Boden geknallt. Dank ihrer Implantate blieb sie auf den Beinen, aber als sie sich Kintz zuwandte, hatte er bereits die Arme verschränkt und sein übliches Grinsen im Gesicht.
    Sie lachte und bemerkte, dass ihre Hände vor Wut zitterten. »Das hat Spaß gemacht. Sollten wir bei Gelegenheit wiederholen.«
    »Klar.« Er grinste immer noch. »Wir sehen uns.«
    Sie stand mitten auf der Matte, das Gewicht auf die Zehen verlagert, und sah ihm hinterher, als er zur Tür ging. Sie sah vermutlich so mitgenommen aus, wie sie sich fühlte; bevor sie sich zusammenreißen konnte, kam McCuen herüber und blieb mit besorgtem Gesicht vor ihr stehen.

    »Alles in Ordnung, Major?« Sie war von Adrenalin benebelt und hörte seine Stimme, als ob sie aus großer Entfernung zu ihr durchdrang.
    »Mir geht’s gut«, sagte sie und fuhr sich mit einer schweißnassen Hand über das Haar. »Aber dieser Mistkerl braucht jemanden, der ihm Manieren beibringt.«
     
    Die Kristalldruse.
    Licht und Stille. Ein Raum, ausgefüllt wie vom Rauschen in einer Muschelschale. Säulen wie Rippen, die sich zur wilden Geometrie des Fächergewölbes emporstreckten und das Dach einer lebendigen Kathedrale stützten.
    Li hatte die Kristalldruse zuletzt im Dunkeln und unter Wasser gesehen. Nun sah sie die Kammer so, wie die Bergleute sie gesehen hatten, wie Sharifi sie gesehen hatte. Und Bella hatte recht: Die Kristalle sangen. Li hörte vielleicht nicht dieselbe Musik wie die Hexe, aber ihre Implantate spielten verrückt, übersteuert vom Quantensturm, der im glühenden Bauch der Kristalldruse tobte.
    Es war schwierig gewesen, das Wasser abzupumpen. Die Aufräummannschaften hatten viel länger als erwartet gebraucht, um die umliegenden Gänge abzustützen und die Pumpen hereinzuschaffen. Und einige angespannte Tage lang hatten sie sich abgemüht, bis sie einen unterirdischen Fluss fanden, der durch das Feuer und die darauf folgende Überflutung seine Ufer gesprengt hatte und die unteren Ebenen des Trinidad schneller wieder mit Wasser füllte, als man es abpumpen konnte.
    Die Arbeit wurde noch dadurch verlangsamt, dass die Bergleute, mit Ausnahme der Grubenkatholiken, sich weigerten, in der Kristalldruse zu arbeiten. Die Kammer erregte abergläubische Ängste und machte manchen Leuten viel Angst.Etwas knirschte unter Lis Fuß und flitzte davon. Sie

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