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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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dauerhafter Smog aus Kohlestaub hing in der Luft, gespeist
von Kohlekrümelfeuer in jeder Küche. Blaugesichtige Exbergleute, die an Staublunge im letzten Stadium litten und in die Hauptstadt gekommen waren, um ihre Ausgleichszahlungen aufzuzehren, schlurften über die Gehsteige.
    Im Randbereich des Industrieviertels fuhr das Taxi über ein ausgedehntes, unkrautüberwuchertes Stück offenes Gelände. Schiefe Torpfosten begrenzten das Feld auf beiden Seiten. Sie waren einmal weiß gewesen, aber die Farbe blätterte ab und war von Rost durchsetzt. Irgendjemand, wahrscheinlich eine lokale Wohlfahrtsorganisation, hatte sich der Wiese angenommen; ansonsten hätte sie ihren Kampf gegen den ätzenden Regen längst verloren.
    Acht Spieler waren über das Feld verstreut, ein paar in Uniform, der Rest in Straßenkleidung. Als der Wagen vorbeifuhr, lief ein Spieler mit den langen, sicheren Schritten eines geborenen Stürmers aufs gegnerische Tor zu. Die Sonne blitzte durch die Wolken, als er schoss, und ein Sonnenstrahl zuckte über das Feld, versilberte die Beine des Stürmers und den wie einen Bogen gespannten Körper des Torhüters, als er sich nach dem Ball streckte.
    Li fuhr zusammen und schaute weg, zurück ins dunkle Innere des Taxis.
     
    Das Mädchenheim lag im Schatten der ärmsten Wohnanlagen. Es verfügte über ein gemauertes Gebäude – eine zugig wirkende Pfarrkirche, deren Backsteinfassade einen neuen Anstrich dringend nötig hatte. Der Rest des Waisenhauses bestand aus den typischen Wohnmodulen der Kolonialzeit, nicht viel mehr als Baracken.
    Die Schwester, die Li an der Tür empfing, trug Jeans, ein Flanellhemd und war eine so grobschlächtige, autoritäre Person, dass Li sich fragte, ob sie früher vielleicht für die Miliz gearbeitet hatte.

    »Sie sind das also, die etwas über Hannah wissen will«, sagte sie. »Was sind Sie, halb XenoGen? Warum interessiert sie das überhaupt?«
    »Ich bin ranghöchster UN-Offizier auf der Station«, sagte Li. »Ich werde dafür bezahlt, dass ich mich für Dinge interessiere.«
    Die Schwester sah Li für einen Moment mit zusammengekniffenen Augen an. »Lassen Sie Ihr Taxi besser warten«, sagte sie. »In dieser Gegend werden Sie kein anderes finden.« Sie winkte Li in einen langen, spärlich beleuchteten Korridor. »Tut mir leid, dass kein Empfangskomitee angetreten ist, aber alle anderen haben im Moment Unterricht. Sie werden sich mit der Schulleiterin begnügen müssen.«
    »Danke, Schwester …«
    »Einfach Ted.« Sie grinste. »Für Theresa. Die Unterrichtsstunde ist in zwei Minuten zu Ende. Wir treten besser einen strategischen Rückzug in mein Büro an.«
    Sie gingen durch das Rattennest aus Blechdachhäusern zurück, durch einen mit Linoleum ausgelegten Flur, vorbei an langen Garderobenständern mit Wintermänteln und Schultaschen der Kinder. Der Geruch von Kreide und Filzstiften drang unter den Türen der Klassenzimmer hervor, und es waren dieselben disziplinierten Chorgesänge wie in jeder anderen katholischen Schule zu hören. Als sie an einem Raum vorbeigingen, hörte Li eine Stimme, die nur einer Nonne gehören konnte, sagen: »Du bist nicht so süß wie du glaubst«, was ein kindliches Gelächter provozierte, das gleich wieder verstummte.
    Die Glocke schellte zehn Minuten vor der vollen Stunde, und eine lärmende, lachende, ausgelassene Flut von uniformierten Schulmädchen ergoss sich in den Korridor. Mit den entschlossenen Schritten eines Menschen, der es gewohnt ist, dass man ihm Platz macht, bahnte sich Schwester
Ted einen Weg durch die Flut. Und die Mädchen machten ihr tatsächlich Platz; einige Minuten lang folgte Li ihr durch ein unaufhörliches Trommelfeuer aus »Guten Morgen, Schwester Ted«, »Entschuldigen Sie, Schwester Ted« und »Hallo, Schwester Ted«.
    »Sie haben die Kleinen gut erzogen«, sagte Li.
    Sie warf Li über die Schulter einen scharfen Blick zu. »Wir helfen ihnen nicht, wenn wir sie mit Samthandschuhen anfassen, Major. Das wird sonst auch niemand tun.«
    »Wie viele Ihrer Schülerinnen sind Genkonstrukte?«
    »Schauen Sie sich um und schätzen Sie.«
    Li sah in das Meer junger Gesichter, viele von ihnen Variationen von zwei oder drei Standardgesichtern. »Zwei Drittel, würde ich sagen.«
    »Da liegen Sie richtig.«
    »Gibt’s Arbeit für sie, wenn sie hier fertig sind?«
    »Nicht wenn sie nicht fünfmal besser sind als Menschen, die sich um dieselbe Stelle bewerben. Und nur wenn sie höflich genug sind, Menschen nicht zu

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