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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Cohens Stuhl, der über den Boden kratzte, als er aufstand. »Ich vertrete mir etwas die Beine«, sagte er und ging.
    »Warum, glauben Sie, beschützt er Sie?«, fragte Korchow.
    »Aus Schuldgefühl«, sagte Li ohne aufzublicken. »Vielleicht ist ihm auch nur danach. Woher soll ich das wissen? «
    »Glauben Sie, dass eine Maschine Schuldgefühle haben kann?«, fragte Korchow. »Ich hätte es nicht vermutet.« Li antwortete nicht.
    »Ich frage mich allmählich, ob Sie beide mich nur hinhalten«, murmelte Korchow. »Und wenn ich mich frage, warum Sie das tun sollten, fallen mir jede Menge Gründe ein.«
    »Ich halte Sie nicht hin, und das wissen Sie verdammt gut.«
    »Wie kommt es dann, dass Sie diese relativ einfache Aufgabe nicht bewältigen?«

    »Ich weiß es nicht«, flüsterte Li, den Kopf immer noch in den Händen. »Vielleicht ist es einfach nicht zu schaffen. «
    »Sharifi hat es geschafft.«
    »Ich bin nicht Sharifi.«
    Korchow rief an der Konsole vor ihm einige Bildschirme auf. Als Li gerade dachte, dass ihr Gespräch beendet sei, sagte er noch etwas. »Ich habe heute Morgen mit Cartwright gesprochen. Die UN hat die Streikbrecher-Truppen geschickt. Unsere Zeit wird knapp.«
    Li blickte stumpfsinnig zu ihm auf.
    »Ich bin mir sicher, Sie begreifen, was ein Scheitern bedeuten würde, vor allem für Sie.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts mehr«, sagte sie und stemmte sich hoch. Das Letzte, was sie sah, als sie hinausging, war Korchows starrer, verkniffener Blick.
     
    Sie trat an die Haustür, öffnete sie und schaute in die Gasse hinaus. Es regnete wieder, kräftig genug, dass die losen Dachschindeln auf den Nachbarhäusern klapperten.
    Korchow hatte sie seit dem Einsatz auf Alba nicht direkt eingesperrt, aber es herrschte eine unausgesprochene Übereinkunft, dass niemand unnötige Risiken eingehen würde, die zu ihrer Entdeckung führen konnten. Und wohin sollte man schon gehen? Sicher an keinen Ort, der es wert war, durch den ätzenden chemischen Regen zu laufen. Sie schloss die Tür, wandte sich wieder in den Flur und trat in den offenen Raum der geodätischen Kuppel.
    Wenn man unter der Kuppel stand, war es fast so, als ob man sich im Freien aufhielt; es war der einzige Raum in dem Unterschlupf, wo sie sich nicht beengt und eingezwängt fühlte. Heute war es so, als würde sie ein Aquarium betreten. Regen prasselte gegen Scheiben, von denen
Kondenswasser perlte. Das Abendlicht, gefiltert durch feuchtes Viruflex, nahm eine weiche, samtige, unterwasserartige Qualität an. Li rieb sich die Augen, streckte sich und seufzte.
    »Auftritt: die Liebe meines Lebens, von links«, sagte eine Stimme irgendwo hoch über ihr. Sie blickte auf und sah Ramirez’ lange Beine vom Laufsteg baumeln, der die obere Flanke der Kuppel umschloss. »Komm, setz dich zu mir«, sagte Cohen.
    An die Seitenplatten der Kuppel war eine Leiter geschraubt, was sie jetzt erst sah. Die Sprossen führten zunächst vertikal nach oben, neigten sich dann mit der Wölbung der Kuppel nach innen und endeten schließlich ein dutzend Meter über Cohen. Die Leiter sollte eigentlich mit einem Klettergeschirr ausgerüstet sein, aber die ursprüngliche Ausstattung war inzwischen längst abmontiert und irgendwo in Shantytown für andere Zwecke eingesetzt worden. Wie Cohen dort hinaufgelangt war, wollte sie gar nicht wissen. Er hatte wahrscheinlich nur eine höchst theoretische Vorstellung davon, was mit Menschen passierte, die aus einer solchen Höhe abstürzten. »Ich weiß nicht, ob ich’s bis nach oben schaffe«, sagte sie.
    »Aber natürlich schaffst du’s. Ein bisschen Übung wird deine Einstellung zum Leben verbessern.«
    Sie schnaubte. »Du hörst dich an wie Korchow.«
    »Gott bewahre!«
    Aber er hatte natürlich recht. Nach der Klettertour fühlte sie sich tatsächlich besser. Als sie schließlich ihre langen Beine durch die Geländerstangen des Laufstegs steckte und sich neben ihn setzte, fühlte sie sich wie ein Kind in einem Baumhaus.
    »Was meinst du, wie lang es dauert, bis sie uns finden, wenn wir einfach hier bleiben?«, fragte sie.

    »Wenn du mitmachst, lass ich es auf einen Versuch ankommen«, sagte Cohen. Er holte eine zellophanumhüllte Packung mit importierten Zigaretten hervor. »Auch eine?«
    »Ich dachte, Leo raucht nicht.«
    »Er raucht auch nicht. Aber das bedeutet nicht, dass ich nicht neben dir sitzen kann, während du rauchst.«
    »Was soll ich machen? Dir den Rauch ins Gesicht blasen? «
    »Nerv mich nicht.«
    Sie blies

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