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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Li, Sie haben mich zu Tode erschrocken. Ich dachte wirklich …«
    Sie schnitt ihm sauber die Kehle durch und achtete darauf, dass der erste Schnitt ihn tötete. Es war eine Sauerei, aber es war besser als alles andere, was sie für ihn tun konnte. Er starb mit einem verwirrten Ausdruck im Gesicht, ein idealistischer kleiner Junge, der immer noch nicht glauben konnte, dass dieses Räuber-und-Gendarm-Spiel blutiger Ernst geworden war.
    »Es ist nichts Persönliches«, flüsterte sie in den Abgrund seiner sich weitenden Pupillen. Aber auch das war eine Lüge, die größte Lüge von allen. Und sie wusste es, auch wenn McCuen es nicht wusste.
     
    Bella wartete bei ihrer Ausrüstung. Sie wollte etwas sagen, doch dann sah sie das Blut an Lis Händen und Kleidung, verstummte und trat einen Schritt zurück.
    Li hasste sie für diesen Schritt, für den angeekelten, ängstlichen Ausdruck in ihrem Gesicht. Sie hasste sie so sehr, dass sie ihre Hände zittern spürte. Sie leerte McCuens Rucksack, steckte ein, was sie tragen konnte, und überließ den Rest den Ratten. Sie erlaubte es sich nicht, Bella anzusehen.
    »Hat er … hast du erfahren, wie viele es sind?«
    Li hielt drei Finger hoch.
    »Kintz?«
    »Ja.«
    Li ertrank. Sie erstickte. Sie schulterte ihren Rucksack und ging in den Stollen hinein. Bella musste ihr folgen, so gut sie konnte.
    Beide erwähnten McCuens Namen nicht mehr, weder jetzt noch später.

Anakonda-Lagerstätte: 9.11.48.
    K intz rechnete wahrscheinlich nicht damit, dass sie ihn verfolgten. Er hatte seine Männer umherstreifen lassen. Er verhielt sich, als ob er damit rechnete, dass Li davonlaufen, dass er sie in die Enge drängen musste, bevor sie kämpfte. Was wusste er, das sie nicht wusste?
    Sie erledigte den ersten Mann mit einem einzigen Schuss; sie hatte ohnehin nicht mehr die Hoffnung, ihre Gegner zu überraschen, und Schnelligkeit war jetzt die beste Taktik. Leider traf ihr Schuss ihn im Hals und zerstörte die Zufuhrleitungen seines Sauerstofftanks. Sie hörte, wie der Sauerstoff aus den Schläuchen zischte, und ärgerte sich über ihre eigene Ungeduld. Ärgerte sich, weil sie nicht alles sorgfältiger durchdacht hatte. Weil ihre Hände zu sehr zitterten. Weil sie nicht mehr so auf Draht war wie vor fünf Jahren. Nicht einmal wie vor fünf Monaten.
    Hinter ihm war ein anderer Mann, den sie vorher nicht gesehen hatte. Wahrscheinlich vom Sicherheitsdienst des Bergwerks. Er hatte die Instinkte und die Ausbildung, um Deckung zu suchen, aber sie hatte ihren Standpunkt gut ausgewählt. Es gab für ihn keine Deckung.
    Sie hätte ihn niedergeschossen, wo er stand, wenn er keinen Beatmer getragen hätte. Aber er trug einen. Und weil Kintz verkabelt war, mochte es der einzige Beatmer sein, der hier unten übrig war.
    Sie richtete die Beretta auf die Brust des Wachmanns; er erstarrte und sah sie unbewegt an. Li lauschte, ob Kintz sich näherte, aber alles, was sie hören konnte, war das Rascheln von Bellas Kleid, als sie ihr Gewicht nervös von einem Fuß auf den anderen verlagerte.
    »Sie können jetzt auch rauskommen«, rief Li in den Stollen hinein. »Ich kann von hier aus Ihr billiges Rasierwasser riechen.«

    »Ich würde ihn nicht erschießen«, sagte Kintz hinter einem vorstehenden Stück Isoliermaterial drei Meter von ihr entfernt. »Er hat den letzten vollen Tank. Und ich glaube, Sie brauchen einen.«
    »Nehmen Sie den Beatmer ab«, sagte Li zu dem Wachmann, »und schieben Sie ihn mir rüber.«
    Er rührte sich nicht.
    »Ich werde Sie wirklich erschießen, wenn Sie’s nicht tun.« Sie sprach ganz ruhig. Sie brauchte ihm nichts vorzuspielen, um ihn zu überzeugen; der Körper seines Freundes dampfte noch auf dem Boden vor ihm.
    Sie sah, dass der Mann Kintz hinter der Isolierung einige flüchtige Blick zuwarf. Diese Blicke verrieten ihr alles, was sie wissen musste. Sie konnte sehen, dass Kintz sich zwischen Isolierung und Felswand eingezwängt haben musste. Sie konnte die Waffe sehen, die er in der Hand hielt. Und sie konnte erkennen, was der Wachmann ganz offensichtlich erkannt hatte: dass Kintz ihn wenn nötig selbst niederschießen würde, damit Li nicht an den Sauerstofftank herankam.
    »Komm her«, sagte sie zu Bella. »Und bleib an der Wand.«
    Bella schlich näher, langsam und widerwillig. Der Ausdruck in ihrem Gesicht sagte, dass Li sie irgendwie enttäuscht hatte, indem sie ihr diese Szene zumutete. Li zog McCuens Waffe aus ihrer Gesäßtasche, wo sie sie verstaut hatte.
    Sie sah Bella an.

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