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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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sehen konnte. »Und Sie hätten recht gehabt«, sagte sie, »bis heute.«
    »Was werden Sie mit mir machen?«, fragte McCuen. Seine Stimme klang sehr kläglich – wie die eines Kindes, das von seiner Mutter hören wollte, dass seine Albträume nicht real waren, dass die Monster gar nicht existierten.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie wahrheitsgemäß. Kintz musste den Schuss gehört haben und war sicher schon unterwegs. »Brian, ich muss wissen, wo Kintz mir auflauern wird.«
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
    »Nicht schon wieder, Brian.«
    »Nein! Ich weiß es wirklich nicht. Sie sollten Mirce abfangen und uns gefangen nehmen, wenn wir den Treffpunkt erreichen. Und dann … na ja, Sie haben’s ja gesehen. Sie tun nicht, was man ihnen gesagt hat.«
    Li lachte bitter. »Sieht so aus, als hätte Kintz schon entschieden, dass er uns nicht lebendig abliefern kann.«

    »Ja«, sagte McCuen. Falls er sich fragte, was Kintz’ Entscheidung für ihn persönlich bedeutete, sagte er nichts davon. »Hören Sie«, sagte er nach einer Pause. »Sie können doch mit der Station Kontakt aufnehmen, oder? Sie können Nguyen anrufen. Es ist noch nicht zu spät. Vielleicht können Sie nicht alles hinbiegen. Aber genug. So viel, dass wir hier unten nicht umgebracht werden. So viel, dass die Syndikate nicht bekommen, was sie wollen.«
    »Und was dann?«
    »Ich will nicht wissen, was. Aber es ist bestimmt besser, als umgebracht zu werden!« Er fuhr zusammen. »Oder zu den Syndikaten überzulaufen. Kommen Sie, Li. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wollen.«
    Sie sah auf sein flehendes Gesicht hinunter. Sie dachte daran, dass sie unter Tage sterben könnte. Sie dachte an die lange Liste hässlicher, gewaltsamer Dinge, die er tun würde, um lebend an die Erdoberfläche zurückzukehren. Sie dachte an Nguyen und wofür sie Lis Leben einzutauschen bereit war.
    Für wen machte es noch einen Unterschied? Mirce war bereits tot. Cohen war verschwunden. Wieso sollte sie sich den Kopf darüber zerbrechen, was mit einem Planeten geschah, den sie immer nur als eine Falle betrachtet hatte, der sie entkommen wollte?
    »Aber Nguyen wird die Kristalle töten«, sagte sie. »Sie wird den ganzen Planeten umbringen.«
    Als sie es aussprach, wusste sie, dass es die Wahrheit war. Es war kein Plan und keine Verschwörung; selbst jetzt glaubte sie nicht, dass Daahls gestohlenes Memo nur eine unglückliche Formulierung enthalten hatte. Aber es würde geschehen. Es geschah bereits.
    Die UN konnte ohne aktive Kondensate nicht überleben. Wenn man ihr freie Bahn ließ, würde sie Compsons Planet schlucken, so wie der Weltgeist Cohen geschluckt, wie
der Sicherheitsrat Kolodny und Sharifi und all die anderen unerkannten Opfer ihrer verdeckten Technikkriege geschluckt hatte. Nicht aus Böswilligkeit, sondern mit den besten Absichten. Nicht weil man es so wollte, sondern weil es nicht anders ging. Weil so eben ihr Code geschrieben war.
    Und Sharifi – Sharifi hatte gewusst, dass man die Verantwortlichen der UN nur aufhalten konnte, wenn man ihnen keine Wahl ließ.
    »Es ist nicht Ihre Aufgabe, diese Dinge zu entscheiden«, sagte McCuen, als habe er jede Wendung ihrer Gedanken wahrgenommen.
    Li wusste, dass er nichts anderes sagte, als sie selbst vor ein paar kurzen Wochen gesagt hatte. Er hatte nicht gesehen, was sie gesehen hatte. Er hatte es nicht erlebt. Er konnte die Entscheidungen, vor denen sie stand, nur als Entweder-oder wahrnehmen, Loyalität oder Verrat, die UN oder die Syndikate.
    Und wenn sie sich für die Seite entschied, die er unterstützte? Die Seite, die ihre Loyalität gegenüber ihren toten und lebenden Kameraden ihr nahe legte? Dann wäre die UN vor den Syndikaten gerettet, jedenfalls eine Zeit lang. Sie würde überleben und sich in einer Art kannibalistischer Existenz von den Kristallen ernähren, was unterm Strich nicht schlimmer war als der Überlebenskampf eines beliebigen anderen lebenden Geschöpfes, das auf Kosten allen anderen Lebens im Universum existierte.
    Aber die Kondensate – Cartwrights heiliggesprochene Tote, Lis Vater, Sharifi, Cohen – würden sterben. Und diesmal gäbe es keine zweite Geburt, kein träumendes Nachleben, wie fremdartig auch immer. Diesmal würden sie nicht zurückkehren.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. Sie kauerte sich hin und zog das Messer von der Zufuhrleitung zurück.

    McCuens Körper schien sich unter ihr zu verflüssigen, als sein Schrecken einer bebenden Erleichterung wich. »Mein Gott,

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