Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
hörte sie in ihm die Echos halb erinnerter Stimmen. Mirce. McCuen. Ihr Vater. Und, schlimmer noch, Cohen.
    Natürlich hatte Cohen recht gehabt. Der Weltgeist brauchte ihn. Er hatte ihn wie ein Kannibale verschlungen, neue Strukturen in den Ruinen seiner Systeme und in den zarten Anfängen des planetaren Netzes verankert, das Ramirez mit seiner Hilfe aufgebaut hatte. Denn Ramirez’ Netzwerk war von Anfang an dazu bestimmt gewesen, dem Weltgeist zu dienen. Das war das Geheimnis, das hinter Cartwrights blinden Augen Li verspottet hatte. Das war das Geheimnis, das ihr Vater gekannt, das auch Cohen gekannt hatte, auch wenn er es zu spät durchschaut hatte, um sich selbst retten zu können. Und jetzt wurde Li Zeuge, wie der Weltgeist im Orbit explodierte, durch die Bose-Einstein-Relais jedes Planeten entlang der Peripherie prasselte, durch die unbewachten, unkontrollierten Zuflüsse des FreeNet und hinaus in die schnellen, tiefen, lebendigen Strömungen des Spinstroms.
    Sie folgte ihm, lief auf mehr Spuren gleichzeitig, als sie bewusst bewältigen konnte. Sie durchkämmte ihre Subsysteme, fand zwei Zahlenfresser der UN-Pensionskasse und setzte sie auf die Schlösser der Handschellen an. Die Kommunikations-KI fragte sich flüchtig, ob sie Zeit hatten, auf die Rechner zu warten. Li war sich auch nicht sicher – doch einen Augenblick später, so schnell, dass sie nicht das Gefühl hatte, bewusst gehandelt zu haben, war sie im FreeNet-Luftüberwachungssystem und suchte den Himmel nach den Signalen eines Schiffes ab, das der Navigationsaufsicht noch nicht gemeldet worden war.

    Sie stellte fest, dass sich Goulds Schiff bereits im Orbit befand und eine erzwungene Funkstille aufrechterhielt, während über ihm der schlanke, bedrohliche Umriss einer UN-Fregatte schwebte und eine Durchsuchungs- und Beschlagnahme-Routine durchführte. Li blieb lang genug, um sicher zu sein, dass sich Nguyens Netz um Gould zusammengezogen hatte. Dann jagte sie los und suchte nach der Medusa .
    Sie war nicht da. Jedenfalls nicht, als Li zu suchen anfing. Dann aber erschien sie, schlagartig wie eine Explosion, mit relativistischer Geschwindigkeit im System, ganz planmäßig. Ihre Navigationsbojen heulten dopplerverzerrte Harmonien, und ihre Bremsraketen glühten wie eine von Menschenhand geschaffene Supernova.
    Nguyens Leute lauerten an der ersten Systemboje. Als die Medusa in die Normalzeit zurückfiel, löste sich eine zweite Fregatte aus dem Signalschatten der Boje, setzte dem zivilen Schiff nach und schickte Grußsignale.
    So schnell, wie sich die Medusa bewegte, konnten die Grußsignale allenfalls als ein verzerrtes Rauschen ankommen. Dennoch wurden die Signale über einen gesperrten militärischen Kanal gesendet. Das Schiff bremste deswegen ab.
    Li stöberte durch acht verschiedene Bose-Einstein-taugliche Netzwerke, bevor sie eine Hintertür zu dem geschlossenen Nachrichtenaustausch zwischen den beiden Schiffen fand.
    »… um an Bord eine Sicherheitsinspektion durchzuführen«, sagte der Fregattenkapitän gerade, als Li endlich die Verschlüsselung geknackt hatte.
    Sie wartete nicht, bis der Frachter die Erlaubnis erteilte. Sie griff bereits auf die Datenbanken der Medusa zu, bevor der Fregattenkapitän seine Anfrage beendet hatte, und suchte nach allem, was Sharifi dort abgelegt haben könnte,
hoffte dabei inständig, dass der kostbare Datensatz nicht in einem unverkabelten Lagerfach hinter einer inerten Firewall gehalten wurde.
    Dann loggte sich jemand ein und initiierte eine massive Datenübertragung in den Hauptspeicher des Schiffscomputers. Sharifis unverschlüsselte Datensätze. Und noch mehr. Als Li eilig die Dateien durchsah, stellte sie fest, dass mit den Datensätzen auch Spinvideo-Übertragungen abgespeichert waren – Übertragungen, die Sharifi für wichtig genug gehalten hatte, um sie live aufzuzeichnen und mit den Ursprungsdaten zu versenden. Li sah nach, wer den Upload vornahm, und als sie es endlich herausfand, lachte sie, weil es so offensichtlich war.
    Sharifi hatte ein Fach mit automatischer Datenfreigabe gemietet. Als die Medusa über Freetown in den Orbit eintrat, hatte das Freigabeprogramm nach einem Stromraumsignal gesucht – eins, das Gould vermutlich gesendet hätte, wäre ihre eigene Mission erfolgreich verlaufen –, und als es dieses Signal nicht empfing, hatte es seine Daten in den Schiffscomputer übertragen. Das Schiff wiederum war programmiert, die Daten ins FreeNet einzuspeisen, wenn der Upload beendet

Weitere Kostenlose Bücher