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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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gerade ein geschniegelter Ballspieler anhand einer Karte New Yorks vor dem Embargo erklärte, was eine U-Bahn-Serie war.
    Er blickte widerwillig auf und war sofort auf den Beinen, als er das Chrom an ihren Schulterabzeichen bemerkte. »Himmel, Bernadette!«, sagte er und sah an ihr vorbei. »Wie oft muss ich’s dir noch sagen?«
    Li blinzelte und warf einen Blick über die Schulter. Eine der Huren auf der Bank – diejenige, die direkt unter dem Rauchen-verboten-Schild saß –, hatte eine angezündete Zigarette in der Hand. Ihr knöcherner Körper war in hautenges Latex gehüllt, bis auf den Ansatz ihrer Brüste, die ein sich krümmendes und windendes Aktiv-Tattoo schmückte. Sie war schwanger, und Li bemühte sich, nicht ihren abnorm angeschwollenen Bauch anzustarren.
    »Mach sie aus, Bernadette!«, rief der Unteroffizier.
    Die Frau drückte die Zigarette unter einem Stiefelabsatz aus und vollführte mit dem zertretenen Glimmstängel eine rüde Geste. Das Tattoo kroch ihr auf die Stirn und machte etwas Ungehöriges.
    »Tut mir leid, Major«, wandte sich der Unteroffizier wieder an Li. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Eigentlich suche ich mein Büro.«
    Er las ihr Namensschild, wurde nervös und warf über die Schulter einen Blick auf eine unauffällige Tür hinter dem Schalter. »Äh … man hat Sie erst in ein paar Stunden erwartet. Kann ich Sie vielleicht anrufen und Ihnen sagen …«
    »Sparen Sie sich die Mühe«, sagte Li, die bereits die Energiebarriere durchschritt und an den Schreibtischen aus Holzimitat vorbei zu den hinteren Büros durchging.
    Sie trat in einen schmalen Flur, der mit grauen Gitterplatten wie auf einem Schlachtschiff ausgekleidet war. Das Büro des Sicherheitschefs war das zweite auf der rechten
Seite. Li konnte immer noch die abgeschmirgelte Farbe erkennen, wo jemand Voyts Namen entfernt hatte. Die Klebefolie hatte sich nicht ganz beseitigen lassen; das V und Teile des Y und des T waren noch zu sehen.
    »Der König ist tot«, brummte sie. »Lang lebe der König.«
    Die Bürotür stand offen. Sie trat ein – und sah zwei Männer, die sich über ihren Schreibtisch beugten und die Schubladen durchwühlten. Ihr Rucksack, den das Transportschiff weitergeleitet hatte, lag vor dem Schreibtisch auf dem Boden. Sie war sich nicht sicher, aber es sah so aus, als sei auch er durchwühlt worden.
    »Meine Herren«, sagte sie ruhig.
    Sie gingen beide in Habachtstellung. Lis Orakel zeigte ihre Dossiers an, als sie ihre Namensschilder las. Leutnant Brian Patrick McCuen and Hauptmann Karl Kintz. Beide Männer unterstanden formell ihrem Kommando, aber sie waren Angehörige der planetaren Miliz, nicht der Friedenstruppen. Nach Lis Erfahrung bedeutete das, dass sie alles sein konnten, von umgänglichen lokalen Polizisten bis zu Straßenräubern in Uniform. Es bedeutete auch, dass sie, wie sehr sie auch ihre Autorität geltend machte, nie ihre uneingeschränkte Loyalität genießen würde; sie hätten immer im Hinterkopf, dass Li früher oder später wieder verschwinden würde, und sie mussten nach wie vor dem Konzern Bericht erstatten.
    Beide waren große Männer. Ganz unwillkürlich schätzte Li ihre Größe, zog auch ihre Reichweite, ihr Gewicht, die Muskelspannung in Betracht und fragte sich, ob sie verkabelt waren. Das sind nicht gerade die Gedanken, die man sich über seine Untergebenen machen sollte, dachte sie.
    »Major«, sagte McCuen. Er war blond und schlaksig, ein sommersprossiger Junge, dessen Uniform selbst in dieser
frühen Morgenstunde frisch gebügelt schien. »Wir, äh, räumen gerade Voyts Schreibtisch auf. Wir haben Sie nicht so früh erwartet.«
    »Scheint so«, sagte Li.
    McCuen versuchte den Stapel E-Papiere zu verbergen, den er in der Hand hielt. Die Situation war ihm sichtlich unangenehm, und er war zu jung, um seine Verlegenheit zu verbergen.
    Kintz dagegen stand bloß da und grinste blöd, als sei ihm scheißegal, was sie dachte. »Jemand sollte Haas besser Bescheid sagen, dass sie hier ist«, sagte er und schob sich an Li vorbei in den Flur, ohne sich auch nur zu entschuldigen.
    Li sah darüber hinweg; es hatte keinen Sinn, einen Streit anzufangen, bevor sie wusste, dass sie ihn für sich entscheiden würde.
    »Das Ganze tut mir wirklich sehr leid«, sagte McCuen. »Wir hätten das Büro aufräumen und Sie am Zoll empfangen sollen. Das Problem ist, dass wir seit dem Feuer rund um die Uhr zu tun haben. Rettungen, Identifikation der Toten, Aufräumarbeiten. Uns fehlt das nötige

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