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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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ein genetisches Konstrukt mit Markenzeichen und einem roten Querstrich auf dem Umschlag ihres Ausweises betreten. Als sie ging, waren ihre Mitochondrien immer noch mit der elenden kommerziellen Seriennummer markiert, aber ihre übrige DNA behauptete nun, dass sie drei natürliche Großeltern hatte – genug, um sie in den Status einer Staatsbürgerin zu erheben. Zwei Tage später marschierte sie in das Rekrutierungsbüro der Friedenstruppen, log, was ihr Alter und alles andere anging, und stellte einen Aufnahmeantrag.
    Das Rekrutierungsbüro stellte nicht allzu viele Fragen. Damals suchte man verzweifelt nach starken jungen Körpern, die man den Syndikaten entgegenstellen konnte, und dasselbe firmeneigene Genset, das sie vorher vom Militärdienst ausgeschlossen hatte, machte sie nun zäher als Kudzu-Ranken. Und wozu auch viele Fragen? Sie war eines von vielen Bergarbeiterkindern in der Peripherie, die nichts vor sich hatten als vierzig Jahre Schufterei unter der Erde und zu dem Schluss kamen, dass ein UN-Gehaltsscheck und ein Ticket ohne Rückflug es wert waren, für jemand anderen einen Krieg auszufechten.
    Die Verkabelung war der härteste Teil. Die Psychotechniker wollten alles wissen. Kindheit, Familie, das erste Mal mit einem Jungen, das erste Mal mit einem Mädchen. Sie hatte ihnen alles gesagt, was sie ihnen sagen konnte, ohne die Wahrheit durchschimmern zu lassen. Alles Übrige ließ sie einfach hinter sich zurück. Damals hatte sie nicht den Eindruck gehabt, dass es ein großer Verlust wäre; es gab
wenig aus ihre Jugend auf Compsons Planet, woran sie sich erinnern wollte, auch wenn es nichts ausmachte, diese Erinnerung in ihren Festspeicher auszulagern, wo nur die Techniker Zugriff darauf hatten.
    Heute, fünfzehn Jahre später, erinnerte sie sich nur an Kleinigkeiten. Kirchenglocken und mitternächtliche Gottesdienste. Das hohe, einsame Geheul der Grubensirene. Eine Frau mit blassen Augen. Ein dünner, müder Mann mit schwarzer Haut an Arbeitstagen, die schneeweiß wurde, wenn er sich am Sonntag den Staub aus dem Gesicht wusch.
    Ihre Namen waren ihr entfallen. Sie gehörten nicht zu Catherine Li, sondern zu der Frau, die sie ihr ganzes erwachsenes Leben lang auszulöschen versucht hatte – eine Frau, die mit jedem Sprung weiter hinter ihr zurückgeblieben war, seit dem Tag ihrer Rekrutierung.

ABG-Station: 13.10.48.
    A n der Einstiegsluke nahm sie niemand in Empfang. Sie wartete einen Moment, dann loggte sie sich in den Stromraum ein und bat die Station um Auskunft, wo ihr Büro lag.
    Das Feldbüro des UNSR befand sich in einem Anbau der Sicherheitszentrale der Station – keine Seltenheit für die juristischen Organe in der Peripherie, denen nur geringe Etats zur Verfügung standen –, und diese wiederum lag am anderen Ende der Station, tief verborgen im sanierungsbedürftigen Labyrinth der öffentlich zugänglichen Arkaden und Gänge. Die meisten ihrer Mitreisenden bogen in die Speichen der Station ab, in denen Firmeneinrichtungen
untergebracht waren, und bald war sie allein. Während sie sich den öffentlichen Bereichen näherte, machten Magnetbahnen den Laufbändern Platz, Laufbänder den soliden Planken, Planken den Virustahl-Gitterplatten.
    Überall sah sie alte Menschen, die offenbar ohne Arbeit waren, obwohl sie nicht begriff, wie jemand, der nicht wenigstens über die Einkünfte eines Vorarbeiters verfügte, die Beförderungssteuer aufbringen konnte. Als sie in die ärmeren Bereiche der bewohnbaren Ringsegmente vordrang, kam sie dahinter: es waren zum Großteil Bergarbeiter mit Lungenschäden, die Schläuche in der Nase trugen und Sauerstofftanks hinter sich herzogen. Die ABG musste, seit Li den Planeten verlassen hatte, irgendeine Vereinbarung mit den Staublungenpatienten getroffen haben, und vermutlich gewährten sie den schlimmsten Fällen einen Platz in der Orbitstation.
    Außerdem sah sie Frauen im Tschador. Sie versuchte sich zu erinnern, ob es in ihrer Kindheit auf Compsons Planet Polykonfessionelle gegeben hatte. Es war schwer vorstellbar, dass diese die hart arbeitenden, trinkfesten Katholiken bekehrt hatten, unter denen Li aufgewachsen war. Aber damals war Fanatismus jeder Spielart eine Wachstumsindustrie in der Peripherie gewesen – und wenn man die Heilige Jungfrau in einem Bose-Einstein-Kristall sehen konnte, dann erforderte es wohl auch keine große Phantasieanstrengung, um den Teufel in einem implantierten Interface zu sehen.
    Sie suchte sich ihren Weg durch ein Labyrinth aus

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