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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Hand, die sie schüttelte, und bemerkte eine funktionelle Uhr um das kräftige Handgelenk. Musste er etwa ohne eine Verkabelung auskommen? War er gegen Keramstahl allergisch? Oder hatte er religiöse Bedenken? Wie auch immer, es erforderte einen unerschütterlichen Ehrgeiz und ein unerschütterliches Arbeitsethos, um es ohne direkten Zugriff auf den Stromraum bis in die Firmenverwaltung zu schaffen.
    Haas deutete auf einen eckigen, teuer wirkenden Stuhl. Li setzte sich, wobei das Ripstopgewebe ihrer Uniform auf dem Leder quietschte. Sie versuchte sich einzureden, dass es nur im Tank gezüchtetes Leder war, so künstlich wie alles andere in diesem Büro, Haas eingeschlossen. Dennoch war die Idee, ein Möbelstück aus der Haut eines Säugetiers zu fertigen, einschüchternd dekadent.
    »Ich stehe unter Zeitdruck«, sagte Haas, sobald sie sich gesetzt hatte. »Bringen wir diese Sache schnell hinter uns.«
    »Schön«, erwiderte Li. »Aber eins wollen wir gleich klären: Warum haben Sie mein Gepäck durchsuchen lassen?«
    Er zuckte die Achseln und wirkte nicht im Mindesten verlegen. »Reine Routine. Sie sind zu einem Viertel ein genetisches Konstrukt. Zumindest steht es so in Ihren Versetzungsunterlagen. Es ist nichts Persönliches, Major. So lauten einfach die Vorschriften.«

    »Der UN oder des Konzerns?«
    »Meine Vorschriften.«
    »Ich nehme an, bei Sharifi haben Sie eine Ausnahme gemacht?«
    »Nein. Und als sie sich beschwerte, habe ich ihr denselben Mist gesagt wie Ihnen.«
    Li lächelte unwillkürlich. »Gibt’s noch ein paar Vorschriften, die ich beachten sollte?«, fragte sie. »Oder werden diese Vorschriften von Ihnen improvisiert?«
    »Sehr bedauerlich, die Sache mit Voyt«, wechselte Haas so schlagartig das Thema, dass Li für einen Moment leicht irritiert war. »Er war ein guter Sicherheitsbeamter. Er hatte begriffen, dass manche Dinge nur die UN und manche nur den Konzern etwas angehen. Und dass wir alle nur aus einem Grund hier sind: Damit der Nachschub an Kristallen nicht abreißt.« Er verlagerte sein Gewicht, und die Federn unter ihm quietschten. »Einige der Sicherheitsbeamten, mit denen ich gearbeitet habe, hätten es nicht verstanden. Ihnen wäre es übel ergangen.«
    »Voyt ist doch auch nicht mit heiler Haut davongekommen«, bemerkte Li.
    »Was erwarten Sie?«, sagte Haas und stellte die Füße unter den glänzenden Schreibtisch. »Versprechen?«
    Er berichtete knapp und sachlich über das Feuer. Der Ärger hatte angefangen, als Sharifi unterirdisch eines ihrer streng bewachten in-situ-Feldexperimente durchgeführt hatte. Die Überwachungsanlagen hatten einen Stromstoß in der Feld-KI registriert, die ABGs Bose-Einstein-Array im Orbit steuerte, und fast unmittelbar nach dem Stromstoß war eine Stichflamme durch Anakondas vor Kurzem eröffneten Trinidad-Stollen geschossen. Haas hatte eine Rettungsmannschaft losgeschickt, um das Grubenfeuer zu löschen, alle Arbeiter aus dem Trinidad-Stollen abgezogen und die unteren vier Ebenen des Bergwerks gesperrt,
bis eine Sicherheitsinspektion durchgeführt werden konnte. Die Feld-KI schien sich von der Spannungsspitze erholt zu haben, und niemand hatte weiter darüber nachgedacht.
    Haas und Voyt waren mit einem Sicherheitsinspektor hinuntergefahren, um die Stelle zu besichtigen, wo sich die Stichflamme gebildet hatte. Sie hatten die Brandursache nicht feststellen können, empfahlen aber bis zu einer näheren Untersuchung eine Unterbrechung von Sharifis Experiment. Eine Empfehlung, die das Sperrlistenkomitee ablehnte. Der Stollen wurde wieder eröffnet, sobald man die Pumpen und Ventilatoren repariert hatte, und die Bergarbeiter – und Sharifis Team – machten sich wieder an die Arbeit.
    »Es war nichts festzustellen«, erklärte Haas. »Ich habe seit meinem zehnten Lebensjahr unter Tage gearbeitet, und ich sage Ihnen, es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, dass ein zweites Feuer zu befürchten war. Es ist mir scheißegal, was auf den lokalen Spinvideo-Kanälen behauptet wird. Ich würde niemals einen Arbeiter in eine Grube schicken, von der ich befürchte, dass sie jeden Moment hochgehen könnte. So handhabe ich solche Dinge einfach nicht.«
    Aber er hatte zehn Arbeiter in die Grube geschickt. Und sie war dreißig Stunden später hochgegangen.
    Die Explosion war so heftig gewesen, dass sie den Förderturm und den Füllort von Grube 3 zerstörte und ein Feuer entfachte, das noch zehn Tage später schmorte. Die Feld-KI im Orbit hatte wie bei der letzten

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